Justiziar/Leiter Recht
Das Bauministerium (BMWBS) hat am 30.07.24 den Referentenentwurf für eine BauGB-Novelle veröffentlicht. Die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. An der nun folgenden Anhörung wird sich auch der BFW mit einer Stellungnahme beteiligen. Wir freuen uns über Ihre Hinweise und Anmerkungen bis spätestens zum 08.08.2024, die wir gern in die Stellungnahme einarbeiten.
Der Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren zur BauGB-Novelle ist auch vor dem Hintergrund des näher rückenden Bundestagswahlkampfes sehr eng getaktet.
Zeitplan
- 30.07.2024 Veröffentlichung des Referentenentwurfes durch das BMWBS
- 16.08.2024 Stellungnahmefrist i. R. d. Anhörung zum Referentenentwurf
- 04.09.2024 Kabinettsbeschluss
- 18.10.2024 erste Befassung im Bundesrat
- 11/12.2024 Gesetzgebungsverfahren im BT einschl. Anhörung
- 51. KW ab 16.12.2024 2./3.Lesung im Bundestag
- 02/2025 Bundesrat
Im Folgenden einige Diskussionspunkte nach einer ersten überschlägigen Durchsicht.
Einige wesentliche Kritikpunkte
- Änderungen im Bauplanungsrecht wirken sich erst mittelfristig aus. Die Novelle ist daher auch kein Konjunkturprogramm für die Baubranche.
- Anwendung des Städtebaurechts werden punktuell angepasst und können demzufolge zu punktuellen Erleichterungen für den Wohnungsbau führen.
- Umwandlungsverbote sind Eingriffe in den freien Markt, die die Eigentumsbildung verhindern, ohne dass neue Wohnungen gebaut werden.
- Kommunale Vorkaufsrechte bauen keine Wohnungen und kosten Steuergelder.
- Sonderregelung für den Wohnungsbau gem. § 246e BauGB ist nicht enthalten. => Weitere Infos hier.
Im Einzelnen
Aufstockungen: Künftig sollen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Erweiterungen von Gebäuden möglich sein, insbesondere Aufstockungen, auch quartiersweise oder stadtweit, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden müsste (vgl. § 31 Absatz 3 BauGB). Bisher gibt es diese Möglichkeit nur im Einzelfall, der häufig schwer zu begründen war.
BFW
(+) Erweiterungen und Aufstockungen sind flexibel ohne Änderung des Bebauungsplanes möglich.
(+) Innenentwicklung und Nachverdichtung werden gestärkt.
(+/-) Flexibilisierung darf eine geordnete städtebauliche Entwicklung nicht konterkarieren.
Innenentwicklung: Es soll leichter verdichtet gebaut werden können, d. h. in zweiter Reihe auf dem Grundstück oder in Höfen. Besitzt also eine Familie einen großen Garten, der Platz für ein zweites Haus lässt, können die Kinder künftig schneller und einfacher ein eigenes Haus auf dem Grundstück errichten. Bisher scheitert das daran, dass eine solche verdichtete Bebauung nicht dem bisherigen Charakter eines Quartiers entspricht. Das bringt Konflikte mit sich.
BFW
(+) Innentwicklung und Nachverdichtung werden gestärkt.
(+/-) Neuregelung dürfte eher eine Klarstellung sein. M.E. war das schon vorher möglich.
(+/-) Risiken für einer geordnet städtebaulichen Entwicklung sind wahrscheinlich bei der zusätzlichen Bebauung in zweiter Reihe eher gering.
(-) Problem Abstandsflächen zum Nachbargrundstück?
Sozialer Flächenbeitrag: Mit Hilfe der sogenannten Baulandumlegung können Gemeinden Grundstücke entsprechend der Vorgaben eines Bebauungsplans und nach Maßgaben des BauGB neugestalten oder vorbereiten. Dieses Instrument soll genutzt werden, um auf mehr Flächen sozialen Wohnungsraum zu schaffen. So soll bei der Baulandumlegung ein sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden (§ 58a BauGB). Das heißt konkret: Ergibt sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Ergebnis einer Baulandumlegung ein Anspruch der Gemeinde gegen die Eigentümer auf Wertausgleich in Geld, soll sie statt des Geldes eine Fläche verlangen können. Dann muss sie sich jedoch dazu verpflichten, auf dieser Fläche sozialen Wohnungsbau zu errichten. Wertmäßig ändert sich für die Eigentümer dadurch nichts. Eigentümer profitieren weiterhin, denn sie erhalten durch die Umlegung besser nutzbares Land.
BFW
(+/-) Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer bei der Schaffung von sozialen Wohnungsraum?
(-) Keine Regelung für die berufstätige Mittelschicht.
Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte: Die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft soll einem Kaufvertrag gleichgestellt werden. Dadurch wird das spätere Unterlaufen kommunaler Vorkaufsrechte durch die Nutzung sog. Share Deals erschwert. Außerdem sollen die kommunalen Vorkaufsrechte nach BauGB zukünftig auch dann ausgeübt werden können, wenn ein in Eigentumswohnungen geteiltes Gebäude als Ganzes veräußert wird.
BFW
(-) Kommunale Vorkaufsrechte sind Eingriffe in den freien Markt…
(-) …ohne dass zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird.
(-) Fehllenkung von Steuergeldern?
Musikclubs:
Es soll eine eigenständige, neue Nutzungskategorie der „Musikclubs“ in die Baunutzungsverordnung eingeführt werden. Zur weiteren städtebaulichen Hervorhebung der Musikclubs wird zudem vorgeschlagen, eigenständige Gebiete für Musikclubs ausdrücklich in den Katalog der Sondergebiete nach § 11 Absatz 2 BauNVO aufzunehmen, um den Gemeinden deren planerische Sicherung zusätzlich zu erleichtern. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Musikclubs ein wichtiges Element des kulturellen Lebens sein können und daher einen kulturellen Bezug aufweisen.
BFW
(+) Stärkung der Errichtung und des Betriebs kultureller Einrichtungen.
(+/-) Privilegierung einer einzelnen kulturellen Nutzungskategorie?
(-) Was sind Musikclubs? Legaldefinition fehlt.
(-) Im Vergleich zu den anderen Sondergebieten der Bildung, Medizin, Logistik und Handel gem. § 11 BauGB ist der Begriff der Musikclubs sehr eng gefasst.
(-) Passt auf den ersten Blick nicht valide in die bisherige begriffliche Systematik von § 11 BauGB.
Umwandlungsschutz: Das Instrument des Umwandlungsschutzes nach § 250 BauGB wird bis Ende 2027 verlängert. Damit können die Länder in besonders ausgewiesenen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einführen.
BFW
(-) Wohneigentumsbildung wird verhindert.
(-) Staatlicher Eingriff in den freien Markt.
Fristen für die Bauleitplanung: Die Aufstellung von Bebauungsplänen dauert häufig mehrere Jahre. Künftig sollen die Gemeinden Pläne im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen.
BFW
(+) Beschleunigung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen.
(+/-) Regelung wird im Ergebnis daran gemessen, ob und inwieweit sie tatsächlich zu einem schnelleren Bauen beiträgt.
Umweltprüfung und Umweltbericht: Der Umfang des Umweltberichts soll künftig nur ein Drittel der Begründung des Bebauungsplans umfassen. Die Prüftiefe soll konzentriert werden auf diejenigen Belange, die tatsächlich auf der abstrakten Planebene (ohne konkretes Vorhaben) bewertbar sind.
BFW
(+) Reduzierung des Umfangs des Umweltberichts.
(+) Planungserleichterungen und weniger Bürokratie.
(+/-) Regelung wird im Ergebnis daran gemessen, ob und inwieweit sie tatsächlich zu einer Planungsbeschleunigung beiträgt.
Innovationsklausel: Veraltete Bebauungspläne sollen künftig schneller aktualisiert werden können („Innovationsklausel“). Grundsätzlich findet auf einen Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung galt. Verbesserungen in der BauNVO wirken daher immer nur für die Zukunft, es sei denn, die Gemeinde ändert den Plan förmlich. Für diese Änderung eines Bestandsplans auf die jeweils aktuelle BauNVO dient künftig auch das sog. vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB, in dem auf eine Umweltprüfung verzichtet und Beteiligungsverfahren gestrafft werden können.
BFW
(+) Erweiterung des vereinfachten B-Planverfahren nach § 13 BauGB auf Anpassung alter Bebauungspläne an aktuelle BauNVO, in dem…
(+) auf Umweltprüfung verzichtet und…
(+) Beteiligungsverfahren gestrafft werden können.
Digitalisierung: Die Bekanntmachungen, z. B. zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, werden zukünftig auch digital veröffentlicht. Die Teilhabemöglichkeit von Menschen ohne Internetzugang wird weiterhin sichergestellt.
BFW
(+/-) Digitale Veröffentlichung ist überfällig und keine Neuerung.
(+) Teilhabemöglichkeit und Bürgerbeteiligung wird erleichtert.
(-) Anzahl der Stellungnahmen kann leichter einen nicht mehr handhabbaren Umfang erreichen.
Stärkung der Klimaanpassung: Künftig sollen die Kommunen im Zuge der Erteilung des Baurechts z. B. die Schaffung von dezentralen Versickerungsanlagen auf einem Grundstück anordnen können oder auch die Anlage eines Gründaches. Insbesondere soll eine solche Möglichkeit auch für den sog. unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) geschaffen werden, in dem sich ein Großteil des Bauens abspielt. Dort kommt es bisher allein darauf an, dass sich das neue Gebäude in die umgebende Bebauung einfügt. Flächen sollen zudem künftig leichter multifunktional genutzt werden (z. B. ein Sportplatz zugleich als Retentionsfläche).
BFW
(+) Stärkung der Klimaresilienz.
(-) Auswirkungen auf die Baukosten kann Bauen verhindern.
Pflanz- und Maßnahmengebot: Bauherren müssen zukünftig innerhalb einer bestimmten Frist bei den zuständigen Behörden nachweisen, dass sie sogenannte Ausgleichsmaßnahmen, z. B. das erforderliche Pflanzen von Bäumen oder die Begrünung von Dächern, umgesetzt haben (vgl. § 135a BauGB). Die Anzeigepflicht führt zu weniger Verwaltungsaufwand der Gemeinde.
BFW
(-) Verlagerung des staatlichen Verwaltungsaufwands zu Lasten der Bauherren.
(+/-) Es bleibt abzuwarten, ob der geringere Verwaltungsaufwand tatsächlich auch zu einer Planungs- und Baubeschleunigung beiträgt.
- Franco Höfling
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- Gesetzentwurf BauGB