WEG und Mietrecht in der Anhörung

Das Bundesministerium für Justiz hat einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der u.a. virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen und den Einsatz von sogenannten Balkonkraftwerken in WEG und Mietrecht erleichtern soll. Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Der BFW wird sich an der Anhörung beteiligen. Wir bitten BFW-Mitglieder um Anmerkungen bis zum 4. Juli 2023. Ihre Hinweise arbeiten wir direkt in die Stellungnahme ein.

ÜBERBLICK

Im Wohnungseigentumsgesetz wird eine Beschlusskompetenz für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen geschaffen.

Das im Entwurf (§ 23 Abs. 2a WEG-E) vorgesehene 75-Prozent-Quorum orientiert sich an der Rechtslage im Aktienrecht.  Spricht sich in einer Wohnungseigentümerversammlung mindestens eine Dreiviertelmehrheit für reine Online-Versammlungen aus, soll das nach dem Entwurf ein starkes Indiz dafür sein, dass in dieser Gemeinschaft die Präsenzversammlung nicht für das vorzugswürdige Versammlungsformat gehalten wird.

Die vorgeschlagene Befristung auf drei Jahre übernimmt den Befristungsgedanken aus dem Aktienrecht (§ 118a AktG) und verfolgt mehrere Zwecke. Erwerberinnen und Erwerber von Wohnungen sollen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. Die Befristung soll auch der Tatsache Rechnung tragen, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern kann. Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen müssen hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sein. Technisch erfordert dies die Durchführung einer Videokonferenz (Zwei-Wege Audio- und Videoverbindung in Echtzeit), Versammlungen in einem Chat oder Telefonkonferenzen kommen nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer alle Rechte ausüben können müssen (etwa Rederecht, Fragerecht, Recht zur Antragstellung, Stimmrecht).

Anmerkungen: Die Einführung der virtuellen WEG-Versammlung ist grundsätzlich positiv, weil Sie die Effizienz der Verwaltung verbessert.  Trotz des vergleichsweise hohen Beschlussquorums (3/4) kann es jedoch dazu führen, dass Eigentümer per Beschluss überstimmt und von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen werden. Das wirft bislang unbeantwortete verfassungsrechtliche Fragen auf. Die Vereinbarkeit mit Art. 14 GG muss daher zunächst in einer verfassungsrechtlichen Vorprüfung geklärt werden.

Im Wohnungseigentumsrecht und im Mietrecht wird die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte in den Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen aufgenommen.

WEG: Die Installation eines Steckersolargerätes („Balkonkraftwerk“) stellt in der Regel eine bauliche Veränderung dar. Aus diesem Grund bedarf es für ihre Zulässigkeit eines Beschlusses im Sinne von § 20 Absatz 1 WEG. Weil es in der Praxis teilweise schwierig ist, die erforderliche Mehrheit für einen solchen Beschluss zu erlangen, soll der Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen in § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG um die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte erweitert werden. § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG begründet einen Individualanspruch jeder Wohnungseigentümerin und jedes Wohnungseigentümers auf Gestattung der dort genannten baulichen Veränderungen, sofern diese angemessen sind. Besteht dieser Anspruch auf Beschlussfassung, haben die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer lediglich hinsichtlich der Durchführung der Maßnahme einen Entscheidungsspielraum.

Mietrecht: Der Katalog des § 554 Absatz 1 Satz 1 BGB über bauliche Veränderungen, auf deren Erlaubnis die Mieterin oder der Mieter einen Anspruch gegen die Vermieterin oder den Vermieter hat, wird um die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte erweitert. Geht mit der Installation keine Substanzänderung einher, richtet sich die Zulässigkeit der Maßnahme wie bisher nach dem Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache.

Anmerkungen: Vom Schutzbereich gem. Art. 14 GG ist auch die Entscheidungsfreiheit des Eigentümers/Vermieters über bauliche Veränderungen seines Eigentums umfasst. Der Anspruch des Mieters wird hierdurch begrenzt.

Der Anspruch des Mieters besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter nicht zugemutet werden kann (§ 554 Abs. 1 S. 3 BGB).

Das Ermessen des Vermieters ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumindest dahingehend eingeschränkt, dass der Vermieter nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter die Nutzung einer Solaranlage auf dem Balkon versagen kann, wenn diese baurechtlich zulässig, optisch nicht störend, leicht zurückbaubar und fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert ist sowie keine erhöhte Brandgefahr oder sonstige Gefahr von der Anlage ausgeht (siehe auch AG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2021, – 37 C 2283/20).

Gegenüber der bisherigen Genehmigungspflichtigkeit des Mieteranspruchs wird sich durch die Neuregelung nicht viel ändern. Bisherige Prämissen und Vorfragen werden nunmehr auf der zweiten Ebene im Rahmen der Zumutbarkeit des Mieteranspruchs geprüft. Das sind insbesondere:

  • Baurechtliche Zulässigkeit
  • Belastbarkeit des Stromkreises
  • Optisch nicht störend?
  • Montage ohne Beschädigung der Bauteile (z.B. Balkonbrüstung)
  • Leicht zurückbaubar (dauerhafte Befestigung an Hauswand = nicht genehmigungsfähig)
  • Fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert (Fachunternehmerbescheinigung, Nachweis, auch zur Vorlage beim Energieversorger)?
  • Vermieterwahlrecht bei der Auswahl eines Handwerkers (AG München ZMR, 2021, 985)
  • Keine erhöhte Brandgefahr?
  • Keine sonstige Gefahr (sturmsicher?)?
  • Zusätzliche Wartungs- und Prüfarbeiten?
  • Erweiterte Verkehrssicherungspflichten?
  • Kosten für ergänzende Sach- und Haftpflichtversicherungen, die die Haftung des Vermieters abdeckt.
  • Sicherstellung der laufenden Instandhaltung und Instandsetzung.
  • Sicherstellung zusätzlicher Kontrollpflichten.
  • Steuerrechtliche Auswirkungen (Gewerbesteuer)?

      Wir halten sie auf dem Laufenden.

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