Justiziar/Leiter Recht
Das Umweltministerium hat den Entwurf für eine geänderte TA Lärm vorgelegt. Es geht u.a. um die Erhöhung nächtlicher Immissionsrichtwerte, wenn Wohnbebauung an Gewerbe heranrückt.
An der schriftlichen Anhörung wird sich auch der BFW beteiligen. Wir freuen uns auf Ihre Hinweise und Vorschläge, die wir gern in die BFW- Stellungnahme einarbeiten. Stellungnahmefrist ist der 21.06.24.
Wesentlicher Reglungsinhalt: Im Falle des Heranrückens von Wohnbebauung in urbanen Gebieten, in Kern- und Mischgebieten sowie in allgemeinen Wohngebieten an gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuscheinwirkungen vergleichbar genutzte Gebiete sollen für die heranrückende Wohnbebauung nachts höhere Immissionsrichtwerte i. H. v. 3 oder 5 dB (A) gelten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass tatbestandliche Merkmale kumulativ erfüllt sind (siehe unten). Die Erhöhung nächtlicher Immissionsrichtwerte in der Experimentierklausel gem. Nr. 7.5 TA Lärm- E ist damit faktisch nur ultima ratio, wenn ansonsten nicht gebaut werden könnte. Die Mehrzahl tatbestandlicher Vorgaben und die Beschränkung auf erhöhte nächtliche Immissionsrichtwerte reduziert den Anwendungsbereich.
Die einzelnen tatbestandliche Voraussetzung im Kurzüberblick mit Anmerkungen:
Die Neuregelung in Nr. 7.5 TA Lärm-E gelten für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, dessen Satzungsbeschluss bis zum Ablauf des 31. Dezember 2032 gefasst worden ist.
Anmerkung: Bauvorhaben ohne Bebauungsplan (§ 34 BauGB) bleiben damit außen vor. Ein Großteil der Bauvorhaben fällt damit nicht in den Anwendungsbereich.
Der Bebauungsplan muss der Wiedernutzbarmachung von Flächen, der Nachverdichtung oder anderen Maßnahmen der Innenentwicklung dienen.
Durch Festsetzungen im Bebauungsplan müssen Fensterkonstruktionen festgelegt werden, die eine ausreichende Luftzufuhr ermöglichen und zugleich sicherstellen, dass die Fassade ein gesamtes bewertetes Bau-Schalldämm-Maß R′w,ges von wenigstens 30 dB nach Maßgabe der DIN 4109-1:2018 mit mindestens einem teilgeöffneten Fenster aufweist. Hierdurch können höhere Kosten entstehen.
Anmerkung: Bei handelsüblichen Fenstergrößen ergeben sich nach der Begründung (S. 9) geschätzte Mehrkosten in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro pro Wohnung. Das macht wirtschaftlich nicht überall Sinn. Stattdessen erscheint es sachgerechter, diese Fensterkonstruktionen als Handlungsoption im Rahmen der Ermessenausübung zu definieren.
Der Bebauungsplan muss Bereiche im Freien vorsehen, die zum Aufenthalt für die Bewohner bestimmt sind und auf denen die Immissionsrichtwerte am Tag eingehalten werden. Messpunkt ist der am stärksten betroffenen Rand der Fläche.
In der Abwägung des Bebauungsplans müssen vorrangige Maßnahmen des Lärmschutzes wie Nutzungszuordnung, aktiver Schallschutz, Baukörperstellung und Grundrissgestaltung berücksichtigt und dokumentiert worden sein. Das heißt, bevor eine Erhöhung von nächtlichen Immissionsrichtwerten in Betracht kommt, müssen zuvor auch alle bautechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ziel ist es, zunächst alles zu tun, um die Erhöhung von Immissionsrichtwerten zu vermeiden.
Anmerkung: Die Vielzahl von Maßnahmen ist ein Kostentreiber. Die Baukosten werden nicht durch höhere Immissionsrichtwerte reduziert.
Erhöhung der nächtlichen Immissionsrichtwerte: Nur wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen in Nr. 7.5 TA Lärm- E erfüllt sind, betragen die erhöhten Immissionsrichtwerte nachts außerhalb von Gebäuden in urbanen Gebieten 50 dB(A) = Erhöhung von 45 dB um 5 dB, in Kern- und Mischgebieten 48 dB(A) = Erhöhung von 45 dB um 3 dB sowie in allgemeinen Wohngebieten 43 dB(A) = Erhöhung von 40 dB um 3 dB.
Deckelung für Geräuschspitzen: Hinzukommt eine generelle Obergrenze für Geräuschspitzen. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen nachts dürfen danach in urbanen Gebieten, Kern- und Mischgebieten 65 dB(A) sowie in allgemeinen Wohngebieten 60 dB(A) nicht überschreiten.
BFW- Fazit: Die Spielräume für den Wohnungsbau könnten zumindest im Einzelfall erweitert werden. Das Bauen wird jedoch nicht entscheidend vorangebracht. Die Vielzahl tatbestandlicher Voraussetzungen ist ein Hindernislauf und Kostentreiber. Die Beschränkung auf erhöhte nächtliche Immissionsrichtwerte reduziert den Anwendungsbereich weiter. Im Spannungsfeld von Lebensqualität und Gesundheitsschutz der Wohnungsnutzer ist die Erhöhung nächtlicher Immissionsrichtwerte nur ultima ratio, wenn ansonsten nicht gebaut werden könnte.
Eine einfache ganztägige Erhöhung der Immissionsrichtwerte und eine Klarstellung zur Zulässigkeit passiver Lärmschutzmaßnahmen als Handlungsoption wäre zielführender gewesen.
Ausblick: Der Entwurf wird derzeit innerhalb der Bundesregierung diskutiert. Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen ist. Die Verwaltungsvorschrift bedarf der Zustimmung des Bundesrates.
- Franco Höfling
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