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Mietpreisregulierung 2020 – Auswirkungen auf die Praxis

Das Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird nunmehr aus den geänderten Mieten der letzten sechs Jahre statt der bisherigen vier Jahre gebildet. Die Änderungen betreffen die Mieterhöhungen zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete, zu zulässigen Mieten im Rahmen der Mietpreisbremse und Ordnungswidrigkeiten wegen Mietpreisüberhöhung.

Wie auch bei den Mietrechtsänderungen der nahen Vergangenheit handelt sich um einen weiteren mietpreisrechtlichen Eingriff zu Lasten der Vermieter, der für sich betrachtet auf den ersten Blick harmlos wirkt. Bei der Vielzahl von Mietrechtsänderungen, die eine Mietpreisdämpfung zum Ziel haben und uns ggf. auch noch bevorstehen, ist diese Bewertung in der Summe jedoch nicht mehr zutreffend.

Dies bestätigt übrigens auch das Bundesverfassungsgericht in seinen aktuellen Entscheidungen zur Mietpreisbremse (BVerfGE 1 BvL 1/18, BvL 4/18 und 1 BvR 1595/18 vom 18.07.2019, siehe RN 62 bis 69). Denn hierin wird die Verfassungsmäßigkeit die Mietpreisbremse auf der Grundlage eines vierjährigen Betrachtungszeitraums und einer bis 2020 befristeten Mietpreisbremse gerade noch bejaht. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass mit der Verlängerung des Betrachtungszeitraums ein Punkt bei der gesetzlichen Mietpreisregulierung erreicht wird, der unter Beachtung von Artikel 14 GG verfassungsrechtlich fragwürdig ist.

Daneben überwiegen Fehllenkungseffekte gegenüber den sozialen Zielen der Neuregelung. Denn viele Vermieter werden auch in Zukunft die einkommensstärksten Bewerber als Mieter auswählen, mit der Folge, dass sich die Chancen auf eine bezahlbare Wohnung für einkommensschwächere Wohnungssuchende bei gleichbleibendem Angebot an Mietwohnungen nicht erhöhen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 29. Marz 2017 – 65 S 424/16 -, juris, Rn. 42). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Eigentümer aufgrund der durch die Miethöhenregulierung verringerten Ertragsaussichten von der Wiedervermietung von Wohnungen in größerem Umfang Abstand nehmen und dadurch das Angebot an Mietwohnungen weiter sinken könnte (vgl. Schuldt, Mietpreisbremse,2017, S. 72, 209), eine Tendenz, die in Anbetracht der aktuellen Diskussion zum Mietendeckel bereits in Berlin zu beobachten ist.

Zielgenauere Alternativen zur Mietpreisregulierung sind sicherlich die stärkere Förderung des Wohnungsbaus (vgl. Blankenagel/Schroder/Spoerr, NZM 2015, S. 1, 17; Derleder, WuM 2013, S. 383, 391) oder die schlichte Verbesserung der finanziellen Lage der Wohnungssuchenden durch eine erweiterte Gewährung von Wohngeld (vgl. Blankenagel/ Schroder/Spoerr, NZM 2015, S. 1, 18).

Neben diesen essentiellen Fragen widerspricht die beabsichtigte Mietendämpfung auch inhaltlich der gesetzlichen Grundintention, wonach die ortsübliche Vergleichsmiete dem Vermieter ermöglichen soll, die Mieten an die aktuelle Dynamik des Marktes anzupassen. Denn da bereits eine Vielzahl von Mieten durch staatliche Eingriffe in das Mietrecht gesetzlich gedeckelt ist, ist eine Mietpreisdämpfung bereits jetzt gesetzesimmanent in der ortsüblichen Vergleichsmiete enthalten. Die bloße Mietendynamik in bestimmten Teilmärkten begründet daher auch kein Gesetzgebungsbedürfnis für die Verlängerung des Betrachtungszeitraumes zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Gerade durch den bisherigen Vierjahreszeitraum sollte nach der gesetzlichen Zielsetzung verhindert werden, dass Altverträge die ortsübliche Vergleichsmiete zu sehr unter die Marktmiete drücken (BeckOGK/Fleindl BGB § 558 BGB RN 43 unter Verweis auf Staudinger/v. Emmerich, 2018, RN 21).

Stattdessen wird die ortsübliche Vergleichsmiete entgegen dieser Zielsetzung weiter entdynamisiert und praktisch eine weitere Mietpreisbremse installiert.

Daneben treten wissenschaftliche Defizite und die damit einhergehende zivilrechtliche Angreifbarkeit des qualifizierten Mietspiegels stärker zutage, weil sich die ausgewiesenen Durchschnittswerte weiter als bisher von der Marktmiete entfernen. Verunsicherung der Marktteilnehmer schwächt Akzeptanz und Befriedungsfunktion des Mietspiegels, was in Anbetracht der hohen Kosten für die Aufstellung des qualifizierten Mietspiegels auch dazu führen kann, dass Kommunen weniger motiviert sind, qualifizierte Mietspiegel zu erstellen.

Handlungsempfehlungen

Praktikern kann nur empfohlen werden, aus der Rechtsunsicherheit das Beste zu machen, also das Gesetz korrekt, wirtschaftlich sinnvoll und interessengerecht anzuwenden.

Hierbei können es sich Vermieter natürlich relativ einfach machen und, soweit vorhanden, weiterhin die ausgewiesenen Durchschnittswerte der in der jeweiligen Gemeinde vorhandenen Mietspiegel übernehmen. Dies hat bei der Verwendung eines qualifizierten Mietspiegels immerhin den Vorteil, dass für die im qualifizierten Mietspiegel genannten Entgelte materiell rechtlich vermutet wird, dass diese die ortsüblichen Vergleichsmieten wiedergeben, ein wichtiger Aspekt in Hinblick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten.

Andererseits beinhaltet der Bezugszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete des qualifizierten Mietspiegels nun nur noch die veränderten und gesetzlich gedeckelten Mieten der letzten sechs Jahre. Oder anders formuliert: Statt eines Marktpreises wird durch den qualifizierten Mietspiegel ein noch stärker gesetzlich regulierter Preis angezeigt und zur Grundlage der Preisbildung gemacht. Eine ähnliche Konsequenz gilt auch für den einfachen Mietspiegel.

Man benötigt nicht viel Phantasie, um festzustellen, dass sich die Diskrepanz zwischen Mietspiegelwert und Marktmiete in Zukunft weiter verschärfen wird. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, alternativ auch die anderen formal rechtmäßigen Begründungsmittel für die Ermittlung der Bezugsgröße stärker als bisher in Betracht zu ziehen. Neben dem Sachverständigengutachten kommt insbesondere die Begründung mit dem Entgelt für drei Vergleichswohnungen als Alternative in Betracht. Denn die so ermittelte Miete wird in vielen Fällen höher sein als der Durchschnittswert im qualifizierten Mietspiegel.

Aber auch dieses Begründungsmittel hat nicht nur Vorteile: Sicherlich, formal ist die ortsübliche Vergleichsmiete ordnungsgemäß ermittelt worden. Jedoch, kommt es zum Rechtsstreit, hat die ermittelte Miete aus drei Vergleichswohnungen keinen materiell rechtlichen Beweiswert. Aus diesem Grund sollte der mit den drei Vergleichswohnungen ermittelte Wert immer auch auf Plausibilität mit der konkreten Situation im eigenen Bestand und dem Mietspiegelwert abgeglichen werden, um sodann eine angemessene und interessengerechte Entscheidung für die Festlegung der relevanten Vertragsmiete zu treffen.

Soweit ein Mieterhöhungsverlangen mit einem Sachverständigengutachten begründet wird,

handelt es sich ebenfalls nur um ein formales Begründungsmittel, ohne materiell rechtlichen Beweiswert. Insofern gilt das Gleiche wie für die Begründung mit drei Vergleichswohnungen. Das kostenintensivere Sachverständigengutachten hat aber zumindest den Vorteil, dass es prozessuale Argumente liefert, um die Vermutungswirkung des qualifizierten Mietspiegels zu widerlegen.

Daneben ergeben sich aus der Verlängerung des Betrachtungszeitraumes aber auch stärkere prozessuale Argumente, um die Wissenschaftlichkeit des qualifizierten Mietspiegels in den jeweiligen Kommunen kritisch zu hinterfragen:

Zeitliche Gewichtung der Daten

Die Bildung eines einfachen Durchschnitts der ermittelten Mietdaten ohne Berücksichtigung der zeitlichen Unterschiede, wie es aktuell üblicherweise bei der Berechnung von Mietspiegeln praktiziert wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verstoß gegen anerkannte wissenschaftliche Grundsätze vorliegt. Die Einbeziehung der Daten der letzten sechs statt vier Jahre verstärkt damit das Problem, dass die Zeitpunkte der Mietänderungen in ihrer Gewichtung nach Aktualität nicht adäquat berücksichtigt werden.

Repräsentativität des Mischungsverhältnisses der Mietdaten

Eine weitere Herausforderung ergibt sich daraus, dass geänderte Bestandsmieten und Neuvertragsmieten im Verhältnis ihres tatsächlichen Vorkommens am Markt in die Datenerhebung des qualifizierten Mietspiegels einfließen müssen. Auch dieses Problem verstärkt sich mit der Verlängerung des Betrachtungszeitraumes, weil nun mehr Daten als bisher Eingang in die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete finden, die älter, also weniger marktrelevant sind und je Zeiteinheit im Verhältnis zwischen Neuvertragsmieten und geänderten Bestandsmieten marktkonform gewichtet werden müssen. Soweit dies nicht erfolgt, ergeben sich stärkere Argumente als bisher, um die Wissenschaftlichkeit des jeweiligen Mietspiegels im Prozess kritisch zu hinterfragen.

Ausblick

Ein Gesetzentwurf zur fünfjährigen Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse befindet sich nach der ersten Lesung im Bundestag nunmehr im Rechtsausschuss des Bundestages. Es ist vorgesehen, das Gesetzgebungsverfahren spätestens bis zur Sommerpause 2020 abzuschließen.

Ein ursprünglich für 2019 avisierter Entwurf für gesetzliche Regelungen zur rechtssicheren Erstellung und Ausgestaltung von Mietspiegeln soll nun im Januar 2020 durch das Justizministerium vorgelegt werden.

Des Weiteren hat der Bundesrat Ende 2019 beschlossen, Gesetzentwürfe zur Novellierung von § 5 WiStG und zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht in den Bundestag einzubringen. In Anbetracht fehlender Regelungen im Koalitionsvertrag dürften diese Initiativen nach derzeitigem Stand kaum erfolgreich sein.

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