Justiziar/Leiter Recht
Erschließungsbeiträge für Straßen oder andere Infrastruktur dürfen nur zeitlich begrenzt erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte mit dieser Entscheidung (Az. 1 BvL 1/19, veröffentlicht am 24.11.2021) § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz für verfassungswidrig.
Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz sieht eine vierjährige Verjährungsfrist vor, die erst mit der Widmung der Straße zu laufen beginnt. Das ist nach der Entscheidung der Verfassungsrichterinnen und -richter nicht zulässig. Maßgeblich muss demnach der Zeitpunkt sein, zu dem für den einzelnen Grundstückseigentümer der Vorteil entsteht. Dieser Zeitpunkt ist für die Betroffenen erkennbar. Es darf niemand dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob noch mit Belastungen zu rechnen sei. Im Kern geht es um das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und der Belastungsvorhersehbarkeit.
Entscheidungsgründe:
Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz sieht eine vierjährige Verjährungsfrist vor, die erst mit der Widmung der Straße zu laufen beginnt. Das ist nach der Entscheidung der Verfassungsrichterinnen und -richter nicht zulässig. Maßgeblich muss demnach der Zeitpunkt sein, zu dem für den einzelnen Grundstückseigentümer der Vorteil entsteht. Dieser Zeitpunkt ist für die Betroffenen erkennbar. Es darf niemand dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob noch mit Belastungen zu rechnen sei. Im Kern geht es um das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und der Belastungsvorhersehbarkeit.
Sachverhalt:
Die Prüfung der Landesvorschrift hatte das Bundesverwaltungsgericht angestoßen. Dort ist der Fall eines Eigentümers anhängig, der sogenannte Erschließungsbeiträge in Höhe von mehr als 70.000 Euro zahlen soll. Seine Grundstücke in einem Gewerbegebiet hatten schon 1986 eine Straßenanbindung bekommen. Den finalen Bescheid erhielt er allerdings erst 2011. In voller Länge fertiggestellt und offiziell dem öffentlichen Verkehr gewidmet wurde die Straße im Jahr 2007.
Anmerkung:
Im Kern geht es um § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz. Die Entscheidung hat bundesweite Bedeutung, weil nun mit der der Begründung des BVerfG landesgesetzliche Regelungen, die auf den Widmungszeitpunkt abstellen, verfassungsrechtlich hinterfragt werden können. Der Landesgesetzgeber in Rheinland-Pfalz ist nun verpflichtet bis 31.07.2022 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis dahin dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden in Rheinland-Pfalz die verfassungswidrige Norm nicht mehr anwenden. Von der Änderung profitieren alle Grundstückseigentümer im Land, deren Bescheide über die Erschließungsbeiträge noch nicht bestandskräftig sind.
Eine konkrete Vorgabe für die zeitliche Höchstgrenze machte das Bundesverfassungsgericht leider nicht. Der Gesetzgeber habe hier nach der Argumentation des BVerfG einen weiten Spielraum. Das Bundesverfassungsgericht stellt lediglich klar, dass eine Frist von 30 Jahren eindeutig zu lang sei. Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben Fristlängen von zehn bis 20 Jahren. Andere Länder haben keine ausdrückliche Regelung.
Hier besteht weiterhin erheblicher Klarstellungsbedarf, sei es per Gericht oder Gesetz. Es ist mit dem gesunden Menschenverstand kaum vereinbar, weshalb Kommunen Erschließungsbeiträge in teilweise existenzbedrohender Höhe noch zwanzig Jahre nach der Entstehung des Vorteils rechtmäßig erheben können. Das kann nicht sein und bedarf dringender Klarstellung.
- Franco Höfling, Justiziar/Leiter Recht
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