Wachstumschancengesetz – Offene Fragen zur AfA (§ 7b EStG) 

Nach einem langwierigen Gesetzgebungsprozess ist mit der Verkündung vom 27.3.2024 das Wachstumschancengesetz in Kraft getreten. Zwei für die (Wohn-)Immobilienbranche relevante Neuerungen sind die befristete Möglichkeit der degressiven Abschreibung sowie die Ergänzungen zu Sonderabschreibungen i. S. d. § 7b EStG.  

Neue Wohngebäude, soweit sie nach dem 31.12.2022 fertiggestellt worden sind, können linear über 33 Jahre steuerlich abgesetzt werden. Das entspricht einer gleichbleibenden, also linearen AfA von 3% pro Jahr. Nach dem Wachstumschancengesetz kann der Steuerpflichtige sogar 5% pro Jahr abschreiben, allerdings mit fallenden Beträgen, d.h. dass der Abschreibungssatz von 5% jährlich auf den verbleibenden Restbuchwert angewendet wird. Die degressive AfA findet in Herstellungs- und Anschaffungsfällen Anwendung und hat damit insbesondere Bedeutung für Wohnungsbauunternehmen, die Gebäude für den eigenen Bestand herstellen (Bestandsvariante) oder für den eine Wohnung anschaffenden Erwerber entwickeln (Bauträgervariante).  

Für Wohngebäude, die in der EU/EWR belegen sind und mit deren Herstellung nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wurde (sog. Herstellungsfall) oder deren Anschaffung aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags im selben Zeitraum erfolgt ist (sog. Anschaffungsfall), kann die degressive AfA i.H.v. 5 % in Anspruch genommen werden. Bei unterjähriger Anschaffung/Herstellung erfolgt die Abschreibung zeitanteilig. Während die degressive AfA in Anspruch genommen wird, können keine Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung vorgenommen werden. Ein Wechsel zur linearen AfA ist möglich. 

Im Herstellungsfall ist maßgebend auf den Tag der Baubeginnsanzeige abzustellen, während im Anschaffungsfall der Vertragsabschluss entscheidend ist. Beim Anschaffungsfall dürfte aufgrund des Gesetzeswortlauts mithin auch ein Wohngebäude der degressiven AfA unterliegen, wenn seine Herstellung zwar bereits vor dem 30.9.2023 begonnen hat, aber die Anschaffung erst nach dem Stichtag erfolgte. Die Gesetzesbegründung ist diesbezüglich etwas kryptisch, wenn sie die degressive AfA ausschließlich auf nach dem Stichtag hergestellte Wohngebäude anwendbar sehen will (BT-Drs. 20/8628, S. 122). Gemeint dürften nur die Herstellungsfälle sein. Nichtsdestotrotz wäre eine Klarstellung anhand von Fallbeispielen durch die Finanzverwaltung wünschenswert. 

Damit die degressive AfA in Anschaffungsfällen nur auf neue Gebäude Anwendung findet, muss der Steuerpflichtige dieses bis zum Ende des Kalenderjahres der Fertigstellung anschaffen. So weit, so gut. Leider bleibt unklar, warum der Gesetzgeber in seiner Begründung folgenden Konkretisierungsversuch unternimmt: “Für die Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung im Fall der Anschaffung müssen also Fertigstellung und Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht [= Anschaffung] in einem Kalenderjahr liegen.(BT-Drs. 20/8628, S. 122) Der Gesetzgeber wird hier den Fall vor Augen gehabt haben, dass die Anschaffung auf die Fertigstellung folgt. In der Bauträgerpraxis ist der umgekehrte Fall aber ebenso typisch. Folgt also die Fertigstellung auf die Anschaffung dürfte sehr wohl von einem neuen Gebäude ausgegangen werden und damit von der Anwendbarkeit der degressiven AfA, selbst wenn die Fertigstellung erst in einem anderen Kalenderjahr erfolgt.  

Ebenso wirft die degressive AfA die alt-bekannte Frage erneut auf, ab wann ein Wohngebäude als neu zu qualifizieren ist. Gerade in Ballungszentren würde man sich wünschen, dass schon eine bloße Umwidmung einer vormals gewerblich genutzten Immobilie ausreicht. Das dürfte wohl nicht der Fall sein. Die Kernsanierung eines Gebäudes zur anschließenden Nutzung als Wohngebäude möglicherweise hingegen schon. Wo die Grenze im Rahmen der degressiven AfA zu ziehen ist, ist noch unklar und bedarf dringender Präzisierung durch die Finanzverwaltung. 

Wann ein Wechsel der degressiven AfA zur linearen AfA vorzunehmen ist, hängt maßgebend davon ab, wie hoch der Restbuchwert und die Restnutzungsdauer des Gebäudes sind und ob ggf. zusätzlich von der Sonder- AfA (sogleich) Gebrauch gemacht worden ist. Überschlagsmäßig dürfte nur bei Nutzung der degressiven AfA etwa in Jahr 11 nach Herstellung oder Anschaffung ein Wechsel zur linearen AfA günstig sein. 

Im Wachstumschancengesetz wurde der Anwendungsbereich der Sonder- AfA lediglich in zeitlicher Hinsicht (Bauantrag/-anzeige nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029) und im Hinblick auf betragsmäßige Begrenzungen erweitert (Höchstherstellungskosten je m2 € 5.200, Höchstbemessungsgrundlage je m2 € 4.000). Die übrigen Voraussetzungen blieben unverändert. Darüber hinaus können die Sonder- AfA und die degressive AfA nebeneinander angewendet werden (§ 7b Abs. 1 Satz 1 EStG). 

Der Anwendungsbereich der degressiven AfA ist grundsätzlich weiter gefasst, als der Anwendungsbereich der Sonder- AfA, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob die parallele Anwendung beider Vorschriften im Einzelfall möglich ist.  

Zusammenfassend sind eine Reihe von Detailfragen noch ungeklärt, die zum Gegenstand einer Verlautbarung der Finanzverwaltung gemacht werden sollten.

Hinweis: Alle Informationen stehen unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden BMF- Anwendungsschreiben. Darauf sollten Praktiker stets vorsorglich hinweisen.  

Autor: Dr. Moritz Johannes Mühling, LL. M.
Steuerberater | Fachberater für Internationales Steuerrecht
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