Quelle: SMAQ Architektur und Stadt, Berlin | Foto: Schnepp Renou

Virtuelle Eigentümerversammlungen und Balkonkraftwerke- Auswirkungen für die Immobilienwirtschaft

Der Gesetzentwurf hat am 27.09.2024 den Bundesrat passiert. Das Gesetz tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Wohnungseigentümerversammlungen können künftig auch virtuell abgehalten werden. Außerdem soll die Nutzung von Steckersolaranlagen, so genannten Balkonkraftwerken, für Mieter und Wohnungseigentümergemeinschaften erleichtert und einheitlich geregelt werden.

Gegenüber dem Regierungsentwurf wurde die Regelung zur virtuellen Wohnungseigentümerversammlung zeitlich befristet eingeschränkt. Auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft mit 75 Prozent der anwesenden Eigentümer virtuelle Versammlungen beschließt, ist danach bis einschließlich 2028 mindestens einmal jährlich eine Präsenzversammlung abzuhalten, es sei denn, die Wohnungseigentümerversammlung beschließt einstimmig, darauf zu verzichten.

An der Anhörung im laufenden Gesetzgebungsverfahren hat sich auch der BFW mit einer Stellungnahme beteiligt. Die BFW-Stellungnahme ist das Ergebnis eines verbandsinternen Diskussionsprozesses.

Regelungsinhalte

Im Wohnungseigentumsgesetz wird eine Beschlusskompetenz für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen geschaffen. 

Die in § 23 Abs. 2a WEG vorgesehene 75-Prozent-Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden Eigentümer orientiert sich an der Rechtslage im Aktienrecht. Spricht sich in einer Wohnungseigentümerversammlung mindestens eine Dreiviertelmehrheit für reine Online-Versammlungen aus, soll das nach dem Entwurf ein starkes Indiz dafür sein, dass in dieser Gemeinschaft die Präsenzversammlung nicht für das vorzugswürdige Versammlungsformat gehalten wird. Die vorgeschlagene Befristung auf drei Jahre übernimmt den Befristungsgedanken aus dem Aktienrecht (§ 118a AktG).

Praxis: Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen müssen hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sein. Technisch erfordert dies die Durchführung einer Videokonferenz (Zwei-Wege Audio- und Videoverbindung in Echtzeit), Versammlungen in einem Chat oder Telefonkonferenzen kommen nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass die Wohnungseigentümer alle bisherigen Rechte ausüben können müssen (etwa Rederecht, Fragerecht, Recht zur Antragstellung, Stimmrecht).

BFW: Virtuelle Eigentümerversammlungen versprechen Vereinfachungen für Eigentümer und Verwalter. Das ist positiv. Da jedoch durchschnittlich nur ca. 25 Prozent der Eigentümer an einer Mitgliederversammlung teilnehmen, erscheint es problematisch, für die Beschlussfassung lediglich auf 75 Prozent der anwesenden Eigentümer abzustellen.  Zu viele Eigentümer sind nicht an der Beschlussfassung beteiligt und ggf. für drei Jahre von der persönlichen Beteiligung an der digitalen Eigentümerversammlung ausgeschlossen.

Da ist auch der Kern der Kritik des BFW und anderer Verbände, weil mit der gesetzlichen Änderung im Spannungsfeld zu Art. 14 GG die Streitanfälligkeit in der WEG steigt. Es besteht das Risiko, dass die Arbeitsvereinfachung für die Durchführung der Eigentümerversammlungen mit einem höheren Aufwand für Rechtsstreitigkeiten teuer erkauft wird. Dieses Spannungsfeld zu Art. 14 GG dürfte auch der Hintergrund für die vom Bundestag beschlossene Verpflichtung sein, bis 2028 zumindest einmal im Jahr eine Präsenzversammlung abzuhalten.

Im Wohnungseigentumsrecht und im Mietrecht wird die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte in den Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen aufgenommen.

WEG: Die Installation eines Steckersolargerätes stellt in der Regel eine bauliche Veränderung dar. Aus diesem Grund bedarf es für ihre Zulässigkeit eines Beschlusses im Sinne von § 20 Absatz 1 WEG. Weil es in der Praxis teilweise schwierig ist, die erforderliche Mehrheit für einen solchen Beschluss zu erlangen, soll der Katalog der sogenannten privilegierten Maßnahmen in § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG um die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte erweitert werden. § 20 Absatz 2 Satz 1 WEG begründet einen Individualanspruch jeder Wohnungseigentümerin und jedes Wohnungseigentümers auf Gestattung der dort genannten baulichen Veränderungen, sofern diese angemessen sind. Besteht dieser Anspruch auf Beschlussfassung, haben die Wohnungseigentümerinnen hinsichtlich der Durchführung der Maßnahme einen Entscheidungsspielraum.

Praxis: Viele der u. g. Punkte zur Zumutbarkeit des Mieteranspruch lassen sich sinngemäß auch auf das WIE des WEG- rechtlichen Anspruchs übertragen.

Mietrecht: Der Katalog des § 554 Absatz 1 Satz 1 BGB über bauliche Veränderungen, auf deren Erlaubnis die Mieterin oder der Mieter einen Anspruch gegen die Vermieterin oder den Vermieter hat, wird um die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte erweitert. Geht mit der Installation keine Substanzänderung einher, richtet sich die Zulässigkeit der Maßnahme wie bisher nach dem Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache.

Vom Schutzbereich gem. Art. 14 GG ist auch die Entscheidungsfreiheit des Eigentümers/Vermieters über bauliche Veränderungen seines Eigentums umfasst. Der Anspruch des Mieters wird hierdurch begrenzt.

Der Anspruch des Mieters besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter nicht zugemutet werden kann (§ 554 Abs. 1 S. 3 BGB).

BFW: Gegenüber der bisherigen Genehmigungspflichtigkeit des Mieteranspruchs wird sich durch die Neuregelung nicht viel ändern. Bisherige Prämissen und Vorfragen werden nunmehr auf der zweiten Ebene im Rahmen der Zumutbarkeit des Mieteranspruchs geprüft.

Praxis: Das Ermessen des Vermieters ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumindest dahingehend eingeschränkt, dass der Vermieter nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter die Nutzung einer Solaranlage auf dem Balkon versagen kann, wenn diese baurechtlich zulässig, optisch nicht störend, leicht zurückbaubar und fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert ist sowie keine erhöhte Brandgefahr oder sonstige Gefahr von der Anlage ausgeht (siehe auch AG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2021, – 37 C 2283/20).

U.a. nachfolgende Vorfragen tangieren die Zumutbarkeit für den Vermieter. Diese Vorfragen sollten vor Installation von Steckersolargeräten geklärt werden:

  • Baurechtliche Zulässigkeit?
  • Belastbarkeit des Stromkreises?
  • Optisch nicht störend?
  • Montage ohne Beschädigung der Bauteile (z.B. Balkonbrüstung)?
  • Leicht zurückbaubar (dauerhafte Befestigung an Hauswand = nicht genehmigungsfähig)?
  • Fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert (Fachunternehmerbescheinigung, Nachweis, auch zur Vorlage beim Energieversorger)?
  • Vermieterwahlrecht bei der Auswahl eines Handwerkers (siehe auch AG München ZMR, 2021, 985).
  • Keine erhöhte Brandgefahr?
  • Keine sonstige Gefahr? Sturmsicher?
  • Zusätzliche Wartungs- und Prüfarbeiten?
  • Erweiterte Verkehrssicherungspflichten sicherstellen.
  • Kosten für ergänzende Sach- und Haftpflichtversicherungen, die die Haftung des Vermieters abdeckt?
  • Sicherstellung der laufenden Instandhaltung und Instandsetzung.
  • Sicherstellung zusätzlicher Kontrollpflichten.
  • Steuerrechtliche Auswirkungen (Gewerbesteuer)?
Weitere Informationen:

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