Selten wurde so viel über den Wohnungsmarkt in Deutschland geschrieben und diskutiert wie derzeit. Und selten war die Diskussion so aufgeheizt – vor allem in Berlin! Dabei muss klar sein: Ideologie darf keine Fakten ersetzen. Um eine solide Grundlage für die politische und öffentliche Diskussion zu schaffen, hat der BFW Bundesverband das unabhängige Meinungsforschungsinstitut FORSA beauftragt zu analysieren: Wie sieht die konkrete Wohn- und Einkommenssituation der Menschen in Deutschland aus? Ist die Miethöhe wirklich ihr drängendstes Problem? Wie nehmen die Menschen die öffentliche und politische Diskussion über Mieten und den Wohnungsmarkt wahr, und zu guter Letzt: Was wissen sie über den Wohnungsmarkt und seine Akteure?
Die Ergebnisse hat der Bundesverband am 12. September 2019 in einer Pressekonferenz vorgestellt, die zugleich via Livestream online übertragen wurde. Dabei wurde deutlich: Das Bild, das Politik und Öffentlichkeit vom Wohnungsmarkt malen, hat mit der Realität nicht viel gemein. So zeigt die Umfrage: 86 Prozent der Mieter haben ein gutes Verhältnis zu ihrem Vermieter; lediglich 9 Prozent mussten sich in der Vergangenheit rechtlich beraten lassen. Mit ihrer Miethöhe sind 76 Prozent der Mieter in Deutschland zufrieden, 18 Prozent halten ihre Miete für zu hoch und 5 Prozent sogar für zu niedrig. Hier sieht die Realität offenbar weitaus besser aus als die öffentliche und politische Darstellung. Und angesichts von mehrfachen Mietrechtsänderungen in den vergangenen Jahren – überwiegend zu Lasten der Vermieter – stellt sich die Frage: Ist das Mietrecht als politischer Schwerpunkt der Bundesregierung wirklich richtig, wichtig und zielgenau?
Mietpreisbremse: Theorie und Praxis
Dass die Mietpreisbremse ein falscher Schwerpunkt ist, legen die Umfrageergebnisse nahe: So glauben 66 Prozent, die Bremse sei ein wirkungsvolles Instrument zur Dämpfung der Mieten. Aber selbst in Gebieten mit Mietpreisbremse geben nur 16 Prozent der Mieter an, dadurch konkrete Vorteile zu haben. Auf alle Mieter umgerechnet bedeutet das: Nur 1,3 Prozent der Mieter in Deutschland haben konkrete Vorteile durch die Mietpreisbremse. Ein riesiger Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, der zeigt: Die tatsächliche Relevanz der Mietpreisbremse und vor allem ihr Beitrag zur Lösung der wohnungspolitischen Probleme ist offenbar verschwindend gering.
Daran wird auch die Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse nichts ändern, da verstärkte Anstrengungen für mehr Neubau laut BFW-Umfrage nicht ersichtlich sind. So sind die Baugenehmigungszahlen fast überall rückläufig – obwohl laut Umfrage die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger (83 Prozent) Neubau für die wirksamste Lösung der wohnungspolitischen Probleme halten.
Unkenntnis über den Wohnungsmarkt
Die FORSA-Umfrage offenbart zudem geringe Kenntnisse der Bundesbürger über den Immobilienmarkt und seine Akteure. So gehen 46 Prozent davon aus, dass börsennotierte Wohnungsunternehmen mehr als ein Viertel des Wohnungsbestandes halten. 11 Prozent glauben sogar, es sei mehr als die Hälfte. Tatsächlich sind es jedoch nur 2,2 Prozent.
Die Bedeutung von Aktienunternehmen wird also um das Zehnfache überschätzt! Dabei mietet Deutschland vom Nachbarn: So werden 77 Prozent des Wohnungsbestandes von Selbstnutzern oder privaten Kleinvermietern und 21 Prozent von gewerblichen Anbietern gehalten.
Darüber hinaus glauben 40 Prozent der Bundesbürger, dass Genossenschaften die meisten Mietwohnungen bauen. Diese stemmen jedoch lediglich 9 Prozent, während 91 Prozent des Neubaus durch private Nutzer oder gewerbliche Unternehmen erfolgt. Allein die mittelständischen Immobilienunternehmen des BFW erstellen in den sieben größten deutschen Städten 50 Prozent des Wohnungsneubaus.
Auch beim Sozialen Wohnungsbau sind die privaten Investoren in vielen Bundesländern die Hauptakteure: So stemmen etwa in Nordrhein-Westfalen die privaten Wohnungsinvestoren mit 55 Prozent den Hauptanteil. Auch hier zeigt sich aber ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit: So gehen 78 Prozent der Menschen davon aus, dass die meisten Sozialwohnungen durch kommunale Wohnungsgesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften errichtet werden.
Zukunftsangst bei Einkommensentwicklung
Während sich die große Mehrheit der Bundesbürger nicht darum sorgt, ihre derzeitige Miete nicht mehr zahlen zu können, sieht dies bei der Entwicklung des Einkommens – insbesondere im Alter – jedoch anders aus. Hier wird der eklatante Unterschied zwischen Mietern und Eigentümern deutlich: Während Selbstnutzer in jüngeren Jahren wesentlich höhere monatliche Wohnkosten – meist durch Abzahlung der Kredite – zu stemmen haben, reduzieren sich diese im Rentenalter statistisch auf die Hälfte. Bei Mietern hingegen steigen Wohnkosten im Alter weiter an, während das Einkommen bedingt durch eine immer kleinere Rente sinkt.
Klar ist: Den Effekt des sinkenden Einkommens kann kein Mietendeckel und keine Mietpreisbremse aufhalten. Diese Zukunftsangst wird nicht durch Herumdoktern am Mietrecht gelöst. Hier hilft es nur, mehr Menschen den Weg ins Eigentum zu ermöglichen.
Ideologie darf keine Fakten ersetzen
Die Bestandsaufnahme des Wohnungsmarktes in Deutschland zeigt: Der Anteil überforderter Mieter ist zu hoch. Ein Anteil von 18 Prozent rechtfertigt aber nicht, den gesamten Wohnungsmarkt mit radikalen Maßnahmen zu revolutionieren und zu deckeln – mit unbeherrschbaren Folgen. Statt mit unverantwortlichen Brachialmethoden vorzugehen, muss die Politik mit zielgenauen Instrumenten den betroffenen Menschen helfen, deren Miete zu hoch ist. Dies gilt umso mehr, da die überwiegende Mehrheit mit ihrer Wohnsituation und Miethöhe überaus zufrieden ist. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rückkehr zu Sachlichkeit und zielgenauen wohnungspolitischen Instrumenten.
- Andreas Beulich
- E-Mail Kontakt