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Umkehr der Steuerschuldnerschaft: Interview mit Dirk Salewski

Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für Bauträger – ein schwieriges Thema für Nichtjuristen. Worum es geht, klären wir im Interwiew mit BFW-Schatzmeister Dirk Salewski.

Herr Salewski, die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für Bauträger – ein schwieriges Thema für Nichtjuristen. Worum geht`s, einfach erklärt?

Salewski: Der ursprüngliche Streit ist entstanden, weil die Finanzverwaltung jahrelang die Bauträger als Bauleistende und damit Adressaten der Umkehr der Steuerschuldnerschaft angesehen haben. Damit konnten die Subunternehmer nur Nettorechnungen stellen und der Bauträger musste die darauf entfallende Umsatzsteuer direkt an das Finanzamt entrichten. Dies war ein eklatanter Fehler, auf den der BFW stets hingewiesen hat. Der BFW hat zu dieser Thematik sogar ein Gutachten fertigen lassen, wonach klargestellt worden ist, dass das so nicht geht. Das liegt am Geschäftsmodell der Bauträger. Denn ein Bauträger handelt mit bebauten oder unbebauten Grundstücken. Er ist damit nicht Bauleistender im Sinne der Steuergesetze. So hat es letztlich auch  der BFH im Jahr 2013 gesehen und die BFW-Position somit bestätigt. Das aktuelle BFH-Urteil ist nur die Fortführung des ersten Urteils von 2013. Denn zwischenzeitlich hatte der Fiskus gemerkt, dass er auf Grund des Urteils einen Milliardenbetrag an die Bauträger zurückzuerstatten hätte. Zudem bekamen Handwerker und deren Verbände Angst, dass Handwerker nun an die Finanzämter Umsatzsteuer zahlen müssen, ohne ihre ursprünglichen Rechnungen korrigieren und den Bauträgern diese 19 Prozent in Rechnung stellen zu können. Und wie erwartet: Die Politik lief warm. Es wurde ein Korrekturgesetz mit einer Kombination aus Abtretung und Aufrechnung im Zusammenspiel zwischen Finanzamt, Nachunternehmer und Bauträger geschaffen. Eine Wirrwarr aus Steuer- und Zivilrecht, das von einigen Stimmen in der Literatur zu Recht als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft wird. Nach Inkrafttreten des Reparaturgesetzes hat die Finanzverwaltung die Anträge auf Rückerstattung faktisch nicht bearbeitet.

Mit dem BFH-Urteil ist noch nicht alles zu Ende, aber auf einem guten Weg. Eigentlich geht es jetzt erst richtig los.

Dirk Salewski, BFW-Schatzmeister

Was bedeutet das am 14. November 2018 veröffentlichte Urteil vom 27. September 2018 (V R 49/17des BFH für die Bauträger unter den BFW-Mitgliedsunternehmen?

Salewski: Das aktuelle BFH-Urteil schafft einen wichtigen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit für Bauträger. Ungeklärt war bislang, ob die Finanzverwaltung berechtigt ist, Erstattungsverlangen der Bauträger für Leistungsbezüge bis zum Februar 2014 nur nachzukommen, wenn der Bauträger Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder für die Finanzverwaltung eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Bauträger besteht. Diese Einschränkungen, die ein BMF-Anwendungsschreiben vom 26. Juli 2017 formuliert hat , sind nach dem Urteil des BFH rechtswidrig. Zentrale Streitfrage war dabei, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er von seinem Finanzamt die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt, ohne Umsatzsteuer an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat. Dies verneint der BFH nun. Treuwidriges Handeln des Bauträgers kommt danach nicht in Betracht, weil die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung selbst die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung gesetzt hat.

Ist mit dem BFH-Urteil nun endlich eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung gesichert?

Salewski: Eigentlich ja. Mit dem zweiten Urteil hat der BFH noch einmal klargestellt, dass er nicht gedenkt, von seiner bisherigen Auffassung zugunsten der Staatskasse abzuweichen. Und das ist das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Urteil. Es hätte ja auch passieren können, dass der BFH nicht rechtsstaatlich, sondern rein fiskalisch entscheidet. Das hat er aber nicht getan und gezeigt, dass unsere Gerichte unabhängig sind. Es ist also ein Erfolg des Rechtsstaates. Das muss man mal festhalten. Eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung ist derzeit jedoch noch nicht gesichert, weil sich das Finanzministerium hierzu noch nicht erklärt hat. Solange das nicht passiert, wissen die Finanzämter vor Ort nicht, wie sie mit dem aktuellen BFH-Urteil umzugehen haben.

Ist denn absehbar, wie sich das Finanzministerium positionieren wird?

Das ist derzeit noch völlig unklar. Ohne Weisung werden die Finanzbehörden untätig bleiben und die Verfahren zur Erstattung von Umsatzsteuer weiter verschleppen. Obwohl beide BFH-Urteile an Klarheit nichts vermissen lassen. Sie sind auch einfach und verständlich. Und der jeweilige Sachverhalt ist auch klar, einfach und verständlich. Die Finanzbehörden müssen jetzt, wenn der Bauträger die Erstattung beantragt hat, rechtskonforme Bescheide erlassen. Nicht mehr und nicht weniger. Das tun sie aber schlichtweg nicht. Allerdings haben wir in der Zwischenzeit korrigierte Steuerbescheide erhalten, die wir allerdings inhaltlich mangels Erläuterung nicht prüfen können. Die Zahlen aus dem Bescheid stimmen nicht mit unseren Berechnungen überein. Positiv ist allerdings, dass für die vom Finanzamt festgestellten Salden auch die Zinsen beschieden wurden. Diese sind auch bei einer Aufrechnungslage auf jeden Fall zu zahlen.

Wie sollten Bauträger vorgehen?

Salewski: Wichtig ist im ersten Schritt, dass, soweit noch nicht geschehen, Erstattungsansprüche zur Umsatzsteuer einschließlich Erstattungszinsen durch Bauträger geltend gemacht werden, weil die Verwaltung geltendes Recht nicht richtig angewendet hat.

Der zweite Schritt betrifft die zivilrechtliche Seite: Da wird man bei jedem Handwerker in jedem Einzelfall gesondert schauen müssen und die Frage beantworten: Kann da eine wirksame Abtretung eines Anspruchs des Nachunternehmers gegen den Bauträger an das Finanzamt und Aufrechnung zwischen Finanzamt und Bauträger erfolgen. Soweit die Konstruktion nach § 27 Abs. 19 UStG funktioniert, hat der Bauträger zumindest die Erstattungszinsen sicher. Funktioniert die Abtretung und Aufrechnung nicht, bekommt der Bauträger die gezahlte Umsatzsteuer zzgl. Zinsen vom Finanzamt erstattet. Soweit also die Konstruktion von § 27 Abs. 19 UStG mit Abtretung und Aufrechnung im Dreiecksverhältnis zwischen Finanzamt, Bauträger und Nachunternehmer nicht funktioniert, weil der Nachunternehmer aus zivilrechtlichen Gründen keine Umsatzsteuer gegen den Bauträger nachträglich geltend machen kann oder der Nachunternehmer nicht mehr existiert, hat der Bauträger den Erstattungsanspruch in voller Höhe einschließlich Zinsen.

Dritter Schritt: Meine Erfahrung zeigt, dass vielfach auch Korrekturbescheide rechnerisch fehlerhaft sind, gegen die dann wiederum rechtlich vorgegangen werden muss, um umfassend Recht zu bekommen.

Fazit: Mit dem BFH-Urteil  ist noch nicht alles zu Ende, aber auf einem guten Weg. Eigentlich geht es jetzt erst richtig los. Denn alles, was sich die Finanzverwaltung bisher ausgedacht hat, wurde gegen die Wand gefahren und vom BFH auch deutlich benannt. Nun muss sich auch die Finanzverwaltung hierzu bekennen, um die Finanzbehörden vor Ort nicht allein zu lassen. Die mittelständische Immobilienwirtschaft wird diesen steinigen Weg auch weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten.

Das aktuelle BFH-Urteil ist ein Sieg für die Bauträger. Sie haben sich mit dem BFW dafür eingesetzt – WIE?

Salewski: Die Rechtsanwendung war bislang sehr unübersichtlich und führte zu einer regional sehr unterschiedlichen Umsetzungspraxis der Finanzämter und örtlichen Finanzgerichte. Neben den bereits erwähnten Gutachten lag unser Schwerpunkt daher zunächst darin, die Mitgliedsunternehmen in den unterschiedlichen Veranstaltungsformaten des BFW über die Rechtslage und die Umsetzungspraxis vor Ort zu informieren und Handlungsoptionen zu diskutieren. Unser Credo war immer, trotz aller Probleme lösungsorientiert zu agieren und Bauträger zu motivieren, ihre rechtmäßigen Ansprüche ungeachtet aller staatlichen Hindernisse mit Augenmaß geltend zu machen. Daneben haben wir in politischen Gesprächen, aber auch in dem jährlich stattfindenden Berliner Steuerforum die politische Diskussion mit den Entscheidungsträgern in der Politik vorangebracht. Ziel war es immer, nicht gegenüber den staatlichen Verhinderungsstrategien nachzugeben, sondern an der breiten Front der Praktiker die rechtmäßigen Erstattungsansprüche bundesweit weiterzuverfolgen. Immer unter dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Dieses BFH-Urteil ist daher ohne Zweifel ein wichtiger Erfolg der mittelständischen Immobilienwirtschaft.

Herr Salewski, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Nachfolgend finden Sie das im Interview angesprochene Urteil.

BFH- Urteil vom 27.9.2018  (V R 49/17), veröffentlicht am 14.11.2018

Entscheidung: Ist ein Bauträger rechtsirrig davon ausgegangen, als Leistungsempfänger Steuerschuldner für von ihm bezogene Bauleistungen zu sein, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung ohne Einschränkung geltend machen. Mit Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17, veröffentlicht am 14.11.2018, verwirft der Bundesfinanzhof (BFH) dabei die Verwaltungsanweisung des BMF vom 26.07.2017.

Bewertung: Das Urteil schafft einen wichtigen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit für Bauträger. Ungeklärt war bislang, ob die Finanzverwaltung berechtigt ist, Erstattungsverlangen der Bauträger für Leistungsbezüge bis zum Februar 2014 nur nachzukommen, wenn der Bauträger Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder für die Finanzverwaltung eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Bauträger besteht (BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a). Diese Einschränkungen sind nach dem Urteil des BFH rechtswidrig.  Zentrale Streitfrage war dabei, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er von seinem Finanzamt die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt, ohne Umsatzsteuer an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat. Dies verneint der BFH nun. Treuwidriges Handeln des Bauträgers kommt danach nicht in Betracht, weil die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung selbst die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung gesetzt hat.

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