Im baden-württembergischen Wohnungsbau ist die Zahl der Baugenehmigungen 2023 und in den ersten Monaten 2024 weiter eingebrochen. „Unsere Prognosen aus dem vergangenen Jahr haben sich leider auf dramatische Weise bestätigt“, erklärte Gerald Lipka, Geschäftsführer des BFW Landesverbandes Baden-Württemberg anlässlich der Präsentation des Wohnungswirtschaftlichen Konjunkturberichts 2023/2024. „Obgleich diese negative Entwicklung absehbar war, hat es die Politik versäumt, rechtzeitig gegenzusteuern“, mahnte Lipka.
So wurden in Baden-Württemberg 2024 im Januar und Februar 3.290 Wohnungen genehmigt. Das sind 43,8 Prozent weniger als im selben Zeitraum 2023 mit 5.857 Wohnungen. 2023 wurden laut Konjunkturbericht in Baden-Württemberg 35.519 Wohnungen genehmigt. Das sind 29,1 Prozent oder 14.599 Wohnungen weniger als im Vorjahr mit 50.118 Wohnungen. Besonders dramatisch ist der Rückgang bei Einfamilienhäusern um 41 Prozent und um 54 Prozent bei Zweifamilienhäusern. 2022 wurden in Baden-Württemberg 39.935 Wohnungen fertiggestellt, ein Minus von 3,5 Prozent gegenüber 41.368 Wohnungen im Vorjahr. Der Bauüberhang in Baden-Württemberg hat sich damit zum 31.12.2022 gegenüber 2021 um sieben Prozent auf 121.919 Wohnungen vergrößert (31.12.2021: 113.898).
„Wir benötigen einen bunten Strauß an Impulsen, um den Wohnungsmarkt wieder flott zu machen. Neben der degressiven AfA für Investoren müssen wir dringend auch Privatleute zu Investitionen in den Wohnungsbau ermutigen. Ansatzpunkte dafür könnten die Absenkung der Grunderwerbssteuer, Baulandentwicklung und Deregulierung sein“, erklärte Lipka. Private Bauherren haben 2023 mit 4,8 Milliarden Euro 33,8 Prozent weniger in neue Wohnungen investiert als im Vorjahr. „Unterstützung ist deshalb vor allem für diese Gruppe nötig, weil diese Haushalte sonst den Mietmarkt zusätzlich belasten“, mahnt Lipka. Kommunen müssten sich endlich davon verabschieden, Bauträgern mit nicht mehr konjunkturgemäßen städtebaulichen Verträgen das Leben schwer zu machen.
Wohnungsunternehmen stark gefährdet
Nachdem die Immobilienmärkte jahrelang von einer hohen Dynamik geprägt waren, habe 2022 eine Trendwende eingesetzt. Seither seien die Umsätze im Immobiliengeschäft stetig zurückgegangen. In Baden-Württemberg seien die Immobilienumsätze 2023 um 29,7 Prozent auf 33,2 Milliarden Euro (2022: 44,8 Mrd. Euro) gesunken. Gründe seien schnell gestiegene Zinsen bei gleichzeitig gestiegenen Baukosten und höhere Kreditbelastungen sowie eine zunehmende allgemeine gesellschaftliche Unsicherheit infolge von Energiewende, Inflation und Ukrainekrieg.
Für Bauunternehmen sicherten die noch vor 2022 finanzierten Projekte eine zeitlich begrenzte Auslastung ihrer Kapazitäten. Neue Wohnungsbauprojekte würden jedoch kaum noch begonnen. Inwieweit Bauunternehmen bei einem weiteren Abschmelzen der Auftragsbestände ihre Beschäftigten halten könnten, bleibe abzuwarten. „Im Handwerk und im Baugewerbe gibt es bereits Kurzarbeit. Es darf nicht zu einer Entlassungswelle kommen. Wenn nicht alles getan wird, um den weiteren Sinkflug des Wohnungsbaus aufzuhalten, dann haben wir nach einem Wiederanspringen der Baukonjunktur keine ausreichenden Kapazitäten mehr, um Wohnungen zu bauen“, warnte Lipka. So könnten fertiggeplante Projekte aus dem Jahr 2021, die in der Schublade liegen, durch eine Verlängerung der KfW-Fertigstellungsfristen doch noch realisiert werden.
Preise für Neubau und Mietwohnungen steigen weiter
Die Entwicklung der vergangenen Jahre in Bezug auf die Baupreise in Baden-Württemberg setzt sich fort. Die Baupreise für neu errichtete Wohngebäude stiegen 2023 um 7,4 Prozent. Dieser Trend hat sich im ersten Quartal 2024 weiter beschleunigt. Im Neubau ist deshalb nicht mit einem Absinken der Preise zu rechnen.
Nach Einschätzung von Professor Dr. Dieter Rebitzer wird der Wohnungsmangel in den kommenden Jahren bestehen bleiben und sich in nachfragestarken Regionen weiter verschärfen. Erstens, weil zu wenig neu gebaut wird, zweitens weil es eine Verschiebung vom Kauf- zum Mietmarkt gibt, da Wohneigentum für einige Haushalte nicht mehr finanzierbar ist und drittens wegen der anhaltenden Zuwanderung. Infolgedessen wird der Wohnungsbedarf 2024 und in den Folgejahren voraussichtlich steigen und den Druck auf Mieten und Nebenkosten noch weiter erhöhen.
„Wenn die Politik der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt weiterhin tatenlos zuschaut, steuern wir in den Ballungsräumen langfristig auf einen Wohnungsnotstand zu. Dramatische soziale Verwerfungen könnten die Folge sein“, befürchtete Lipka, der den Wohnungswirtschaftlichen Konjunkturbericht 2023/2024 gemeinsam mit dessen Verfasser, Professor Dr. Dieter Rebitzer, vorstellte. Professor Rebitzer ist Studiendekan an der Fakultät Wirtschaft und Recht der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen (HfWU) und ein Experte für Immobilienwirtschaft.