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Quo vadis BIM?

Wenn man die offizielle Definition des BMVI nach dem Stufenplan für Deutschland aus 2016 liest, so definiert sich BIM so: Building Information Modeling bezeichnet eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden.

Status und Fragestellungen

In zahlreichen Publikationen werden die Vorteile der Methode auch für den Wohnungsbau immer wieder hervorgehoben und herausgestellt, viele Auftraggeber in der Wohnungswirtschaft wollen diese Potentiale heben. Aber wie sieht es eigentlich in der Praxis mit Wohnbauprojekten als „BIM-Piloten“ aus? Wie laufen die bisherigen Projekte jenseits der „Groß- und Leuchtturmprojekte“ ab und wo sind die Stolpersteine? Wie kommen die KMUs auf Fachplanerebene mit der Einführung der Methode in Projekten und im Unternehmen klar? Auch die Frage, wie entschieden das Modell als Prozesstreiber im Projekt und Unternehmen verstanden wird, ist von entscheidender Bedeutung. Viele weitere Fragen werden sich aus erarbeiteten Teillösungen ergeben.

Grundlagen und Standards

Viele Projekte laufen mit einem „BIM-Label“ an, erreichen aber nicht die vorher definierte Ziellinie (z. B. modellbasierte Kostenberechnung), obwohl es umfangreiche Richtlinien und AIAs (Auftraggeber-­Informations-Anforderungen) gibt. Warum? Liegt es wirklich an den noch fehlenden Standards (VDI 2552, DIN ISO 19650) oder vertraglichen Regelungen, ähnlich der kontrovers diskutierten „Leistungsbilder Objektplanung BIM BAK“ (https://aknw.de)?

Die praktischen Hemmnisse zu verstehen und zu analysieren und Ansätze zur Lösung dieser Hemmnisse zu finden, ist die Aufgabe, vor der alle Akteure in der Baubranche stehen. Es geht darum, die Vorstellung einer erfolgreichen Implementierung dieser Methode mit den heute bekannten Erfahrungen, vor allem im Wohnungsbau, weiter zu verbinden und zu entwickeln. Der oftmals schon vehement geführte Lagerkampf „open“ oder „closed“ BIM darf dabei zunächst keine vorab entscheidende Rolle spielen, denn in erster Linie sind die Ziele des Auftraggebers maßgeblich, die er mit der Methode „BIM“ erreichen will und nicht die Werkzeuge, die er dazu einsetzen kann oder will. Eine Einlassung auf diesen Lagerstreit lenkt von der wirklichen Fragestellung ab, der Frage nach dem „richtigen Start“ jenseits der Werkzeug- bzw. Softwareentscheidung.

Vorteile und Stolpersteine

Schon zum BIM Projektstart werden die Weichen gestellt, die über Erfolg und Scheitern von BIM-Projekten entscheiden. Dies gilt bei der Definition von BIM-Zielen am Projektstart oder mittendrin, denn auch laufende Projekte können bei entsprechender Reduzierung der Zielvorgabe noch BIM-Zielsetzungen erreichen. Die bereits erfolgreich durchgeführten Projekte, die medienwirksam publiziert werden, sind zum überwiegenden Teil auf „geschlossene Softwareumgebung (closed BIM)“ zurückzuführen. Dies ist nicht zu übersehen.

Aber die Tatsache, auf der das Zustandekommen dieses Erfolges beruht, wird zumeist nicht richtig verstanden bzw. kommuniziert. Das Zustandekommen des eigentlichen BIM-Projekterfolges, d. h. die Ziele oder BIM-Anwendungsfälle in den Auftraggeber-Informations-Anforderungen, kurz AIA, zu erreichen, liegt auch bei „geschlossenen Softwareumgebungen“ in der Art und Weise, wer, wann, wo und in welcher Qualität ein Gesamt- oder Koordinationsmodell zustande kommen lässt. Vielfach wird auch noch immer von dem „einen“ Modell gesprochen, das es zumindest in der jetzigen deutschen Planungskultur (noch) nicht gibt und das ggf. auch nie sinnvoll sein wird.

Auch in geschlossenen Softwareumgebungen sprechen wir zumeist immer von Teil- oder Fachmodellen. Die Art der Modellqualitäten (Geometrie LoG und Informationen LoI), Rollendefinitionen und die Zeitpunkte der Teil- und Fachmodelllieferungen, auch als Datenübergabepunkte bezeichnet,  sowie deren Zweck (BIM-Ziele oder BIM-Anwendungsfälle) sind die wichtigsten Festlegungen, die alle Akteure in einem Projekt klären und definieren müssen.

Neben den Zielen des Auftraggebers, die er in den AIAs formuliert, sind die Datenübergabepunkte auf Teil- und Fachmodellebene die entscheidenden Meilensteine im Projekt. Letztendlich sind es aus dem Modell aufbereitete „Entscheidungsmomente“ im Sinne einer Prozesskette. So sind z. B. aus dem Modell „abgeleitete“ oder „automatisch erzeugte“ Grundrisspläne die Grundlage zur Freigabe einer Vorentwurfs- oder Entwurfsplanung. Das Modell wird so zum Prozess- bzw. Entscheidungstreiber, d. h. die Entscheidung zur Freigabe der Vorentwurfs- oder Entwurfsplanung wird letztendlich am Modell getroffen.

Der 2D-Plan ist nur ein zeitpunktbezogener Blick auf oder in das Modell. Die verschiedenen Entscheidungsmomente mit unterschiedlichen Inhalten, Qualitäten und Zeitpunkten sind neben anderen Inhalten wichtigster Bestandteil eines BAP (BIM-Abwicklungsplan) Zukünftig werden unseres Erachtens diese Entscheidungsmomente die eigentliche Prozessstruktur der Planung vorgeben und nicht die Leistungsphasen der HOAI.

Stolpersteine und Denk- und Handlungsmuster

Wenn man sich dieser Tragweite bewusst wird, versteht man ein weiteres Hemmnis. So werden oftmals in Wohnungsbauprojekten diese notwendigen Definitionen und Festlegungen vielfach unterschätzt oder übersehen. Sie entstehen teilweise aus Zeitmangel oder aus Unwissenheit zu spät oder gar nicht. Wenn aber diese wichtigen Vorabdefinitionen und Festlegungen der sogenannten „Leistungsphase 0“ (Stufenplan für Deutschland https://bmvi.de) außer Acht gelassen werden, können Projekte in Schieflage geraten.

Um dennoch das Projekt zu retten, wird dann auf die klassischen 2D-Denk- und Planungsprozesse gewechselt. Das Modell ist plötzlich nicht mehr Prozess- und Entscheidungstreiber. Der aus dem Modell abgeleitete 2D-Plan stellt dann andere zeitpunktbezogene 2D-Sichten dar, als die nun aktuell klassisch erzeugten 2D-Pläne. Dieses Denk- und Handlungsmuster ist jedoch für beide Seiten riskant, sowohl auf Seiten der Auftragnehmer als auch für den Auftraggeber. So kann es auf der Seite der Auftragnehmer zur Überforderung führen, da ein Ziel (z. B. 3D-Koordination der Planungsbeteiligten an Modellen) mangels Erfahrung und Anwenderwissen „klassisch“ über 2D-Pläne bearbeitet werden musste.

Auf der Seite der Auftraggeber kann dies zu Enttäuschung führen, da die erwarteten Ziele des Auftraggebers nicht erreicht werden. Es kommt evtl. zwischen den Fachplanern zum Streit über die „Verantwortlichkeiten“ und das „alte Denkverhalten“ der Parteien nimmt so im Projekt wieder Einzug. Bei der Implementierung der Methode BIM in einem Projekt sollte man daher die oftmals bemängelte und unzureichend durchgeführte „neue“ Grundlagenermittlung (Lph 0) also wirklich ernst nehmen.

Schlussfolgerungen, Werkzeuge und Prozesse

Was ist nun eine denkbare Strategie, mit der die Auftraggeber in der Wohnungswirtschaft die Methode BIM zum jetzigen Zeitpunkt umsetzen können? Sehen wir uns doch die vorhandenen und etablierten Werkzeuge (Software) und Prozesse (Standards) bei den planenden Akteuren zuerst einmal an. Die Art und Weise, wie bisher in einem Büro geplant wurde, ist die erste und beste Grundlage, die wir am häufigsten vorfinden. Es läge daher nahe, dieses etablierte Denken und Handeln auf seinen Einsatz für die geforderten BIM-Ziele des Auftraggebers hin zu untersuchen, bevor man voreilig werkzeuggetriebene (softwarebasierte) Vorgaben definiert.

Dies bedarf jedoch der internen oder externen Expertise des Auftraggebers, wenn er ein BIM- Projekt mit seinem bestehenden Planer-Team starten will. Auch hier wird oftmals der dafür erforderliche Aufwand gescheut. Ein bloßer Blick durch die Bürotür oder eine Powerpoint-Präsentation reichen als Qualitätsmerkmal nicht aus. Es muss dabei allen Parteien klar sein, dass eine Validierung der „BIM-Fähigkeit“ ergebnisoffen zu erfolgen hat. Der Erfolg basiert auf dem reibungslosen, abstimmungsfreien Austausch und der transparenten Kommunikation auf Modellebene sowie deren fachlicher Koordination. Darauf kommt es in BIM-Projekten maßgeblich an.

Wenn dagegen nur leicht zu erreichende Ziele der Auftraggeber (z. B. 3D-Planungskoordination) gefordert werden, so sind evtl. nur leichte Korrekturen und Hilfestellungen im Team notwendig. In den meisten Fällen sind die Planer-Teams im Besitz der entsprechenden Werkzeuge (3D-Software), benutzen sie aber nicht. Aber nicht alle Ziele und Wünsche werden mit den etablierten Werkzeugen und Prozessen erreicht werden können.

Sie sind aber durch die vorhandene Erfahrung zumindest SMART (spezifisch, messbar, artikuliert, realistisch und zeitlich definiert) im Sinne der Zieldefinition des Auftraggebers zu umschreiben. Eine zusätzliche Etablierung von neuen Werkzeugen (4D-, 5D-Software) und neuen Prozessen (BIM-Standards, VDI/DIN) mit komplexeren Zielen (neben 3D auch, 4D, 5D etc.) in einem Projekt kann in manchen Fällen dazu führen, dass sogar ganze Teams zeit- und kostenintensiv ausgetauscht werden müssen.

Anpassungen in der Werkzeug- und Prozesslandschaft sind nicht mit dem Erwerb einer Software und der Schulung der Mitarbeiter darin abgeschlossen. Die Dauer der Entwicklung von BIM-Projekt- und Bürostandards werden in Zeiten von operativem Projektdruck und knappen Ressourcen von „BIM-erfahrenen“ Projektbeteiligten im Mittel mit einem bis eineinhalb Jahren angegeben. Diese Faktoren sind als Risiko nicht zu unterschätzen. Es kommt daher darauf an, diese Risiken zum Projektstart möglichst umfassend zu untersuchen und transparent zu machen, um so viel BIM wie nötig in Bezug auf die Ziele des Auftraggebers einzusetzen und nicht so viel BIM wie möglich.

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