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Quartiersmanagement und digitale Transformation

„Digitalisierung ist in aller Munde. Viele Begriffe werden strapaziert und überstrapaziert. Aber geht es in Deutschland mächtig vorwärts und gibt es blühende digitale Landschaften?

Die Erfolge sind eher überschaubar. Baltische Staaten und selbst Polen oder Serbien liegen im aktuellen Ausbauzustand vor Deutschland. Warum? Was hindert Deutschland daran, ein flächendeckendes Glasfasernetz zu errichten bzw. errichten zu lassen? Viele – großteils unkoordinierte – kleine Schritte und Programme, dem Föderalismus geschuldete Zerrissenheit und eine reagierende – statt agierende – Regierung! Unter anderem.

Womit wir beim Breitbandausbau wären. Mehrere Förderaufrufe in den letzten Jahren haben zu einer digitalen Aufbruchstimmung geführt. Leider kommt schnell die Ernüchterung. Bürokratische Hürden, ein Gebirge von Formalien, Dokumenten, beizubringenden Nachweisen, einzuholenden Angeboten usw. führt dazu, dass von bisher bewilligten 4,6 Milliarden Euro Fördermitteln nur 3,8 Prozent ausgezahlt wurden.

Etliche Kommunen stehen auch im Regen, weil zum Beispiel die Deutsche Telekom einen Eigenausbau angemeldet hat. Damit haben sich alle Träume von einer fördermittelbasierten modernen Infrastruktur in Luft aufgelöst. Natürlich muss Eigenausbau vor Fördermittelvergabe gehen, aber glaubt wirklich jemand daran, dass innerhalb der nächsten drei Jahre alle für den Eigenausbau angemeldeten Gebiete ausgebaut werden? Und wenn, dann höchstens mit der Datenrate, welche bundesweit als „Hochgeschwindigkeit“ gilt – 50 Mbit/sec!

Und was im TK-Umfeld funktioniert, gilt auch im BK-Bereich. Siehe die Übernahme der Unitymedia durch Vodafone. Endlich hat Deutschland wieder einen Monopolisten im Kabel – den man vor gut zwanzig Jahren eigentlich zerschlagen wollte.

Was können also wohnungswirtschaftliche Unternehmen tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben, moderne Infrastrukturen zu errichten und auch die Hoheit darüber zu behalten? Dazu ein paar Denkanstöße:

Altverträge

Lassen Sie Ihre Verträge prüfen. In vielen Verträgen verstecken sich interessante Passagen. Wichtig sind vor allem Laufzeiten, Kündigungsfristen und Aussagen zum NE4-Eigentum nach Vertragsende. Manches ist verklausuliert und eher zum Vorteil des Netzbetreibers formuliert, aber durch umfassende und genaue – auch rechtliche – Prüfung lassen sich Klippen umschiffen, Netze übernehmen und Vorteile für das Wohnungsunternehmen erzielen.

Angebotseinholungen

Sie sind nicht ausschreibungspflichtig! Scheuen Sie sich trotzdem nicht vor einer Ausschreibung oder wenigstens einer Angebotseinholung. Im Zweifel holen Sie sich Hilfe. Externe Unterstützung hat, aus Erfahrung, schon vielen Wohnungsunternehmen zu Konditionen verholfen, die sie sonst vielleicht nicht erzielt hätten. 

Ab einer bestimmten Größe sollten die Instrumente „Ausschreibung“ oder „Angebotsabfrage“ nicht außer Acht gelassen werden. Das gibt Ihnen auch Gelegenheit, zwischen dem Betrieb und der Errichtung der Hausnetze zu trennen. Damit ergibt sich die Chance, die Hausnetze (NE4) in eigener Regie zu errichten, in deren Besitz zu bleiben und aus der Bereitstellung an potenzielle Betreiber (einer oder mehrere) auf Wunsch Einnahmen zu erzielen (Open Access).

Neuverträge

Das Ziel einer Ausschreibung ist ein neuer Vertrag. Bisher war das Procedere eher so, dass der Betreiber einen Vertrag vorgab und nur mit Mühe zu Anpassungen zu überreden war. Heute ist die Situation nicht mehr so einseitig. Geben Sie selbst einen Vertrag vor, lassen sie ihn extern ausarbeiten und prüfen, sichern sie Ihre Rechte gegenüber dem Betreiber und manifestieren Sie Einflussmöglichkeiten bei Schlecht- oder Nichterfüllung. Dieser Markt ist nach wie vor ein Verdrängungsmarkt und Sie sind das begehrte Gut.

NE4-Errichtung

Grundlage jeglicher Modelle für zukünftige Anwendungen und Leistungen ist das eigene Netz, die in den Häusern befindliche Netzebene 4 (NE4). Ziel ist es, diese NE4 im Eigentum zu behalten, um festlegen zu können, wer das Netz nutzen darf und was für Produkte, Angebote, Leistungen und Zusatzapplikationen darüber angeboten werden können. Gleichzeitig können auch – unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte – Einnahmen erzielt werden.

Um modern und zukunftsfähig agieren zu können ist es unbedingt notwendig, eine moderne und zukunftsfähige NE4 zu installieren – das kann nur heißen: Glasfaser! Das heißt allerdings auch: Höhere Investitionen im Vergleich zur Standard-Infrastruktur. Es gibt aber Möglichkeiten zur Umsetzung mit Kostenreduktion bzw. -streckung: a) Vertraglich festgelegte Übernahme der NE4 vom bisherigen Versorger nach Vertragsende.; b) Modernisierung der NE4 in Jahresphasen; c) Neubau unter Einbeziehung bestehender Infrastrukturen oder z. B. Leasing, Mietkauf beziehungsweise Verpachtung. Lassen Sie sich beraten.

Wichtig: Bei Neubau unbedingt die Zukunftsfähigkeit sichern – entweder koaxiale Strukturen und mitgeführte Leerröhrchen zum späteren Umstieg auf Glasfaser oder der sofortige Umbau zu FTTH (Fiber to the Home) in unterschiedlich möglicher Ausprägung.

Messdienstleistungen/RWM

Das eigene Netz ist erst der Anfang. Beim Ausbau zu einer zukunftsfähigen Infrastruktur sollte ein Gesamtkonzept angedacht werden. Dazu gehört auch der Bereich Messdienstleistungen. Viele Wohnungsunternehmen verhandeln über Neuverträge mit ihren Messdienstleistern. Hier muss unbedingt von proprietären Lösungen hin zu einem einheitlichen Konzept gedacht werden.

Gesetzliche Grundlagen fordern in den nächsten Jahren die Offenlegung von Verbräuchen gegenüber dem Mieter. Das erfordert allerdings, dass das Wohnungsunternehmen Herr über die Daten ist und die Messstellen in ein funktionierendes und einheitliches Konzept eingebunden sind. Das kann auch heißen: Das Wohnungsunternehmen betreibt die Leistungen selbst. In diesen Komplex fallen auch die Themenbereiche: Heizungssteuerung, Smarte Stromzähler, Rauchwarnmelder, Ambient Assisted Living, E-Ladesäulen (und deren Vermarktung) usw.

WLAN

WLAN-Hotspots gehören heute zum Alltag. Auch Wohnungsunternehmen können davon profitieren und Ihren Mietern diese Dienstleistung anbieten. Der Wegfall der Störerhaftung hat vieles vereinfacht. Aber auch dieses Thema setzt eine zukunftsweisende Infrastruktur voraus. Deshalb auch hier die Empfehlung: Lassen Sie sich zu einem Gesamtkonzept beraten.

5G

Auch 5G ist in aller Munde. Mit 5G wird alles besser, jeder hat sein autonomes Fahrzeug und die Welt ist in Ordnung. Spaß beiseite. Natürlich ist 5G ein Fortschritt bzw. wird einer werden, wenn der Ausbau zielgerichtet vorangetrieben wird. Auch hier kann die Wohnungswirtschaft profitieren und ihren Beitrag leisten. Bei Neubauten und Modernisierungen der NE4 ist unbedingt an 5G zu denken und die Glasfaser bis unter das Dach zu verlegen. 5G verlangt eine viel höhere Antennendichte und das heißt: Alle Betreiber von 5G-Netzen benötigen u. a. Dachflächen. Auch hier hilft Beratung.

Wohnungswirtschaft vor großen Herausforderungen

Die aufgezeigten Themenschwerpunkte stellen nur einen groben Ausriss der komplexen Anforderungen dar, vor denen die Wohnungswirtschaft in den kommenden Jahren stehen wird. Eines ist klar: Alles steht und fällt mit dem Zustand der NE4. Alle Anwendungen, Leistungen, Angebote benötigen Bandbreite und der Bedarf wächst ständig.

Deshalb ist es unvermeidlich für die Wohnungswirtschaft, Konzepte für die Umrüstung, Aufrüstung, Modernisierung oder Übernahme der Infrastrukturen in ihren Beständen zu erarbeiten. Gleichzeitig ist es aber auch wesentlich, welche Bandbreiten die Versorger (egal ob TK-, BK-Unternehmen, Stadtwerke o.a.) an den Schnittstellen zur NE4 anbieten. Deshalb ist eine umfassende Prüfung von Angeboten unumgänglich. Beratung tut auch hier Not!

Vor welchen Anforderungen stehen Fachbetriebe und kleinere Netzbetreiber. Wie passen diese in das angesprochene Gesamtkonzept?

Die Zukunft ist Glasfaser! Das heißt, auch die Zukunft der Monteure und Netzbetreiber kann nur im weiteren Ausbau der Glasfaser liegen. Darum: Eine schnelle und umfassende Weiterbildung. Das „einfache“ Verlegen von Koaxialkabel wird nicht ausreichen. Darum müssen Fachbetriebe in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren und in den Erwerb des entsprechenden Montage- und Messequipments. 

Ein Vorteil ist es, engen Kontakt zur Wohnungswirtschaft zu suchen und die Leistungsfähigkeit in Montage, Wartung und Service herauszustellen. Je mehr Wohnungsunternehmen ihre eigene NE4 errichten, umso mehr werden sie auch gern auf ortsansässige – aber leistungsfähige – Unternehmen zurückgreifen. Ein weiterer Faktor ist der Kontakt zu unabhängigen Investoren und Startups. Hier werden sich in den nächsten Jahren interessante Konstellationen ergeben, die vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit hervorbringen. Beispielhaft sei das Unternehmen Glaas5 erwähnt, welches sich speziell der Errichtung von 5G-Towern und Glasfaserinfrastrukturen für wohnungswirtschaftliche Unternehmen verschrieben hat.

Fazit

Der Breitbandausbau geht nur schleppend voran. Der Zusammenschluss von Vodafone und Unitymedia schafft einen weiteren Monopolisten neben der Telekom, was die Auswahl an Betreibern verringert. Die Summen, welche für Übernahmen und 5G-Frequenzen gezahlt wurden, führen auch dazu, dass dieses Geld dem Ausbau fehlen wird. Dadurch sinkt auch die Investitionsbereitschaft. Das wiederum schlägt auf die Installationsfirmen durch und bringt sie unter Druck.

Aber nicht alles ist negativ. Es erscheinen auch neue Spieler auf der Bildfläche: Stadtwerke, Wohnungsunternehmen, Investoren, Bauträger und andere. Diese Player können ein Gegengewicht und Regulativ bilden, welches die Marktmacht der „Großen“ wenigstens im Zaum hält, gleichzeitig aber auch den Breitbandausbau, das Ausrollen von LWL-Netzen und neue Geschäftsmodelle voran bringen wird.

Dazu wird es allerdings notwendig sein, über den Tellerrand zu schauen, neue Kooperationen zu schmieden und damit neuen Ideen Vorschub zu leisten. Dazu werden Mitstreiter benötigt, die keine Einzelkämpfer sind, sondern Teamplayer. Sind Sie das? Lassen Sie uns miteinander reden!

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