Besprechung Baustelle Rohbau Stockwerk Kran (Copyright: iStock.com / Drazen_)

Neue Bauproduktenverordnung: Ein Kommentar

Im Rahmen einer von der EU-Kommission durchgeführten Untersuchung zur Bauproduktenverordnung (BauPVO) wurden diverse Mängel der Verordnung identifiziert. Insbesondere wurden Probleme für die im Bereich des Werksvertragsrechts agierenden Unternehmen und Planer hinsichtlich der Überprüfung von Bauprodukten zur Sicherstellung des Bauordnungsrechtes bestätigt.

Diese Probleme werden durch zunehmende Importe bestimmter Bauprodukte aufgrund der aktuellen Baustoffknappheit verschärft. Diese Produkte entsprechen vielfach nicht den in den technischen Baubestimmungen der Länder festgelegten Produkt-, Prüf- und Bemessungsnormen.

Es werden CE gekennzeichnete Bauprodukte in den deutschen Markt geliefert, bei denen der Anwender anhand der Deklarationen durch CE-Kennzeichnung + Leistungserklärung auf der Baustelle nur mit großer Detailkenntnis erkennen kann, ob diese den bauordnungsrechtlich relevanten Normen und Richtlinien entsprechen und sie damit sicher eingebaut werden können.

Sachstand

In den technischen Baubestimmungen wird zur Sicherstellung der nationalen Schutzziele des Bauordnungsrechts auf nationale Normen, wie z. B auf die DIN 4108 (Wärmeschutz), DIN 4109 (Schallschutz), DIN 4102/1977-09 und bei der Standsicherheit auf die DIN V 20000 verwiesen.  Der Nachweis der darin gestellten Anforderungen basiert auf nationalen Prüf- und Bemessungsnormen.

Der Anwender kann in Deutschland die Einhaltung des Bauordnungsrechts nur sicherstellen, wenn die Leistung des Produktes nach den im deutschen Bauordnungsrecht verankerten Produkt, Prüf- und Bemessungsregeln nachgewiesen wird.

Dieser Nachweis kann jedoch nicht durch eine für die CE-Kennzeichnung erforderliche Leistungserklärung des Bauprodukts erbracht werden. Das CE-Kennzeichen und die Leistungserklärung sind kein Qualitäts- oder Verwendbarkeitsnachweis, sondern vorrangig ein Handelszeichen für den europäischen Markt. Sie beinhalten Leistungsangaben, die nach einheitlichen Prüfverfahren ermittelt wurden, welche in harmonisierten Normen verbindlich festgelegt sind.

Das OLG Oldenburg, hat mit dem Urteil vom 04.09.2018 – 2 U58/18 entschieden, dass aufgrund einer CE-Kennzeichnung kein Anscheinsbeweis dafür besteht, dass dieses Bauprodukt die übliche Beschaffenheit i.S.d. § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB aufweist und den nationalen anerkannten Regeln der Technik entspricht, mit anderen Worten vertragsgemäß ist. Denn der Regelungszweck der CE-Kennzeichnung umfasst nicht die Bauwerkssicherheit, sondern betrifft nur das Inverkehrbringen und Handeln eines Bauproduktes. Umgekehrt besteht bei Bauprodukten ohne CE-Kennzeichnung nicht die Vermutung, dass das Bauprodukt nicht der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik entsprechen würde.

Handlungsbedarf zur Sicherstellung der in der „Verwaltungsvorschrift  Technische Baubestimmungen“ geforderten Prüf- und Bemessungsnormen

Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass die Mitgliedstaaten für die Bauwerkssicherheit zuständig sind. Das wird weder durch die EU-Kommission noch durch die Rechtsprechung des EuGHs in Frage gestellt.

Vor dem EuGH Urteil RS C-100/13 vom 16.10.2014 gab es in Deutschland neben den Anforderungen an das Bauwerk auch ergänzende nationale Anforderungen an Bauprodukte, deren Einhaltung die Bauwerkssicherheit gewährleisten.

Durch diese nationalen bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Bauprodukte bestand für die am Bau Beteiligten Klarheit über das bauaufsichtlich Geschuldete. Ausschreibungen und Leistungsbeschreibungen konnten auf das umfassende Ordnungsrecht aufsetzen. Bauherr (auch Bund und Länder), Entwurfsverfasser, beauftragte Unternehmer und – anlassbezogen die jeweilige Bauaufsichtsbehörde – konnten sich daher auch im europäisch harmonisierten Bereich darauf verlassen, dass Bauprodukte mit Ü-Zeichen den bauaufsichtlich geforderten Nachweis erfüllen.

Mit der Umsetzung des EuGH -Urteils (EuGH RS C-100/13 vom 16.10.2014), wurden diese zusätzlichen nationalen Anforderungen im Bereich der harmonisierten Bauprodukte für unzulässig erklärt und mussten durch die Länder zurückgezogen werden.  Die Verantwortung dafür, dass die verwendeten Bauprodukte weiterhin die erforderlichen Eigenschaften aufweisen, wurde damit Teil des „zivilrechtlichen Risikomanagements“ der Marktteilnehmer. Die Verwender müssen auch gegenüber der Bauaufsicht nämlich weiterhin nachweisen, dass alle relevanten Leistungsangaben für das Bauwerk und damit auch die verwendeten Bauprodukte ausreichend sind. Die Verwender können dies realistischerweise kaum leisten. Dazu müsste für jedes Bauprodukt die jeweilige Leistungsangabe mit der Norm und den bauaufsichtlichen Anforderungen technisch und rechtlich abgeglichen werden.

Lösungsansatz

Eine Lösung bestünde in einem privatrechtlichen „Qualitäts-/Anwendungszeichen“. Die soll s zusätzlich zur CE-Kennzeichnung (und Leistungserklärung) bereits beim Inverkehrbringen und Bereitstellen einen sichtbaren „Übereinstimmungsnachweis“ für zusätzliche verwendungsbezogenen Eigenschaften ermöglichen.

Dazu stellen Hersteller die fehlenden und für die Verwender erforderlichen Informationen auf freiwilliger Basis bereit. Diese Nachweisdokumente könnten zukünftig z. B. in die bestehende Heinze Bau-Datenbank eingepflegt werden, so dass der Anwender schon in der Planungsphase auf die entsprechenden Dokumente zugreifen kann.

Es gibt mittlerweile bereits entsprechende Lösungen, die diese Anwendung und Erkennbarkeit gewährleisten. Ein Beispiel ist die Beton- und Leichtbetonindustrie, die Anwendungsdokumente und privatrechtliche Herstellerklärungen in Verbindung mit einer Zertifizierung durch anerkannte Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (überwachte Qualität) auf den Markt gebracht haben. Diese kennzeichnen ihre Produkte auch mit einem privatrechtlichen Zeichen, welches neben dem CE Zeichen angebracht.

Diese privatrechtliche Kennzeichnung kann zukünftig mit einem QR-Code verbunden werden, so dass bei Annahme der Produkte auf der Baustelle durch ein einfaches Einscannen des QR-Codes auf die hinterlegten Dokumente des Herstellers zurückgegriffen werden kann. Auch kann durch eine Art Ampelsystem die Verwendbarkeit in Deutschland transparent dargestellt werden. Dies ist eine für die Praxis taugliche Lösung.

Jeder Hersteller von Bauprodukten kann dieses System anwenden und nach einheitlichen Prüfregeln sowie Anforderungskriterien produzieren und damit auch die erforderlichen Produkteigenschaften zur Verwendung des Produkts im deutschen Markt zur Verfügung stellen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass dieses System die bisherige Transparenz wiederherstellt und dabei auf Instrumente zurückgreift, die auf einer privatrechtlichen Grundlage beruhen und daher durch die erwähnte Rechtsprechung des EuGHs nicht in Frage gestellt werden.

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