„Graue Wohnungsnot“ der Baby-Boomer droht

Deutschland wird immer älter – und die Älteren werden immer ärmer. Immer mehr Rentner werden sich das Wohnen deshalb künftig nicht mehr leisten können, warnt das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler legten dazu am 17. April 2023 auf der Messe BAU in München eine Wohnungsbau-Sozial-Studie vor: „Wohnen im Alter“. Im Fokus dabei: die Baby-Boomer-Generation.

Das Pestel-Institut stellt in seiner Untersuchung, die es im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) gemacht hat, fest: Über 21 Millionen Menschen werden in zwanzig Jahren zur Altersgruppe „67plus“ gehören – rund 3,6 Millionen mehr als heute. Deutschland werde sich dann grob in „junge Städte“ und „altes Land“ aufteilen. Es wird Regionen geben, in denen 2050 über 40 Prozent der Bevölkerung Senioren sein werden.

Nur rund jede siebte Wohnung altersgerecht

Auf die kommende Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge sei der Wohnungsmarkt allerdings „ganz und gar nicht vorbereitet“: Nur rund jede siebte Wohnung sei heute altersgerecht. Wobei ein Großteil davon noch nicht einmal von Älteren bewohnt werde. Häufig nutzten Familien den Komfort einer Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen. Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen bereits heute rund 2,8 Millionen Haushalte, in denen Senioren leben, altersgerechte Wohnungen. „Aber nur etwa 600.000 dieser Haushalte haben überhaupt so eine Wohnung, in der Menschen mit einem Rollator und Rollstuhl klarkommen. Damit herrscht auch jetzt schon ein massiver Mangel an Seniorenwohnungen: Rund 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen aktuell. Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Deutschland rast gerade mit 100 Sachen in die ‚Graue Wohnungsnot‘. Das Fatale ist, dass wir dazu politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben“, sagt Matthias Günther.

Altersarmut durchs Wohnen

Der Leiter des Pestel-Instituts spricht von einem „Zwei-Komponenten-Problem beim Seniorenwohnen“: ein Mangel an altersgerechten Wohnungen und Altersarmut durchs Wohnen. „Die Zahl der benötigten Seniorenwohnungen steigt stetig weiter: Im Jahr 2040 werden rund 3,3 Millionen altersgerechte Wohnungen gebraucht. Dass es die Seniorenwohnungen dann auch tatsächlich geben wird, ist aus heutiger Sicht allerdings reines Wunschdenken. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass künftig zwei Drittel der Seniorenhaushalte, die in einer Mietwohnung leben, sich bei steigenden Wohnkosten immer mehr einschränken müssen, weil die Rente für den bisherigen Lebensstandard nicht mehr reicht. In Zukunft werden deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Und so bitter es ist: Auch ein dramatischer Anstieg der Alters-Obdachlosigkeit ist zu erwarten.“ Für die Senioren von morgen – und das seien insbesondere die geburtenstarken Jahrgänge – werde es finanziell eng.

Als „Armutsrisiko Nummer 1“ nennt die Studie die Pflegebedürftigkeit im Alter. Im Schnitt koste die stationäre Pflege heute rund 2.410 Euro pro Monat, die ein älterer Mensch selbst beisteuern müsse. „Mehr als die Hälfte der Seniorenhaushalte hat allerdings weniger als 2.000 Euro netto im Monat zur Verfügung. Am Ende ist es also ganz oft der Staat, der einspringen muss. Er sollte schon deshalb ein Interesse daran haben, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich zu Hause leben können. Das wiederum setzt deutlich mehr altersgerechte Wohnungen voraus. Doch ein ‚Alterswohnprogramm für die Baby-Boomer‘ ist politisch weit und breit nicht in Sicht“, sagt Pestel-Studienleiter Matthias Günther.

Im Gegenteil: Der Bund bremse den altersgerechten Umbau von Wohnungen geradezu aus. So biete die staatliche KfW-Bank – anders als früher – dafür heute keine Zuschüsse mehr. Stattdessen gebe es ein Kreditprogramm mit Zinsen ab 3 Prozent und Laufzeiten von bis zu 30 Jahren. „Das ist eine Farce: Welcher 70-Jährige bindet sich noch so einen Kredit ans Bein, um sein eigenes Haus oder seine Eigentumswohnung altersgerecht umzubauen? Aber gerade um diese Menschen geht es: Immerhin leben 54 Prozent der Älteren in den eigenen vier Wänden – im Wohneigentum“, sagt Matthias Günther. Er empfiehlt dem Bund ein „Durchforsten der KfW-Förderung“ und die Einführung eines Programms für das altersgerechte Wohnen mit finanziellen Zuschüssen fürs selbstgenutzte Wohneigentum.

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