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Fit for 55 – Europas klimapolitische Neuausrichtung

Am 14. Juli 2021 hat die EU-Kommission ihr sogenanntes „Fit for 55“-Paket vorgestellt. Ziel ist es, die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, um die bis 2050 angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Die insgesamt zwölf maßgeblichen Gesetzesvorschläge, die einen weitreichenden Umbau von Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft vorsehen, haben zumindest indirekt auch Auswirkung auf die Immobilienwirtschaft.

Reform des Emissionshandels

Neben einer Überarbeitung des bereits bestehenden EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) zur Bepreisung von CO2-Emissionen aus den Sektoren Energieerzeugung und energieintensive Industrie (Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 61 % gegenüber dem Niveau von 2005) soll ab 2026 ein neues EHS eingeführt werden, das Emissionen aus Gebäuden umfasst. Die Kommission erhofft sich dadurch, die Umstellung auf nachhaltige Brennstoffe in bestehenden Gebäuden zu beschleunigen. Die Emissionen sollen dabei immer weiter gedeckelt werden, um die Gesamtemissionen zu senken. Erreicht werden soll eine Emissionsminderung von 43 % im Jahr 2030 im Vergleich zu 2005.

Klima-Sozialfonds

Angesichts der Gefahr, dass die Erweiterung des EHS-Systems auf den Gebäudesektor zu einer zu starken Kostensteigerung für finanzschwache Endverbraucher führt, schlägt die Kommission die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds vor. Damit sollen den Mitgliedstaaten Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, um die Auswirkungen auf betroffene Haushalte abzumildern.                                                                                                                

Erneuerbare Energien

Überarbeitet werden soll auch die aktuelle EU-Energiegesetzgebung. Das europäische Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll bis 2030 von mindestens 32 % auf 40 % angehoben werden. Während dieses Ziel verbindlich sein wird, plant die Kommission derzeit aber keine verbindlichen nationalen Ziele. Stattdessen wird ein neues indikatives EU-Ziel für erneuerbare Energien in Gebäuden bis 2030 in Höhe von 49 % vorgeschlagen. Auf dieser Grundlage soll jedes Mitgliedsland sein eigenes indikatives Ziel melden.

Neu eingeführt wird ein Verweis auf die neue Definition von „effizienter Fernwärme und -kälte“, die in die neu gefasste Energieeffizienzrichtlinie aufgenommen wird. Damit soll eine zusätzliche Option geschaffen werden, die Anforderungen an ein Mindestlevel erneuerbarer Energien im Neubau und bei größeren Renovierungen zu erfüllen.

Energieeffizienz

Ferner will die Kommission indikative nationale Energieeffizienzziele für 2030 beibehalten. Die entsprechende Richtlinie regelt, wie die nationalen Beiträge festgelegt werden und die jährliche Verpflichtung zur Energieeinsparung für die Mitgliedstaaten fast verdoppelt werden können. Die Verpflichtung für die öffentliche Hand, jährlich 3 % seiner Gebäude zu renovieren, soll auf alle öffentlichen Gebäude ausgedehnt werden, um die Renovierungswelle zu beschleunigen. Schulen, Krankenhäuser und Sozialwohnungen soll dabei Vorrang eingeräumt werden.

Energiebesteuerung

Um die Entwicklung von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Energien zu fördern, hat die Kommission auch eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie vorgeschlagen, die Mindeststeuersätze für Energieprodukte wie Heizung, Kraftstoffe und Strom festlegt. Unter anderem sollen die Anreize für die Nutzung fossiler Brennstoffe beendet werden. Vorgeschlagen wird, die Besteuerung von Energieerzeugnissen mit der Energie- und Klimapolitik der EU in Einklang zu bringen, saubere Technologien zu fördern und veraltete Ausnahmeregelungen und ermäßigte Steuersätze abzuschaffen, die derzeit die Verwendung fossiler Brennstoffe fördern.

CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM)

Die Kommission will durch das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) mögliche Verlagerungen von in der EU gelegenen Produktionsstätten in Drittländer mit weniger strengen Emissionsbegrenzungsregeln verhindern. Konkret sollen Unternehmen, die Waren in die EU importieren, dafür zahlen, wenn das Herkunftsland kein Kohlenstoffpreissystem hat. Die Einnahmen aus dem CBAM sollen teilweise für die energetische Sanierung der Gebäudebestände in den Mitgliedstaaten verwendet werden.

Infrastruktur für alternative Kraftstoffe

Schließlich hat die Kommission einen Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vorgelegt. Die überarbeitete Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe wird die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, die Ladekapazitäten im Einklang mit den Verkäufen von emissionsfreien Autos zu erweitern und in regelmäßigen Abständen Lade- und Betankungspunkte an Hauptverkehrsstraßen zu installieren. Ziel ist es, die Zahl der Elektroladestationen bis 2025 auf eine und bis 2030 auf drei Millionen erhöhen.

Weiterer Zeitrahmen

Mit der Veröffentlichung der Gesetzesvorschläge hat nun der offizielle Gesetzgebungsprozess begonnen und der aus den betroffenen Ministerien der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Ministerrat wird seine Beratungen aufnehmen. In den nächsten Wochen werden voraussichtlich weitere Informationen und Präzisierungen der EU-Kommission zu den vorliegenden Gesetzesinitiativen folgen. Die EU-Kommission beabsichtigt, die Verhandlungen bis Jahresende unter slowenischer Ratspräsidentschaft abzuschließen.

Einen Überblick über die Auswirkungen im Gebäudebereich finden Sie auch unten zum Download.

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