Energiewende im Gebäudesektor

Die Zielsetzung der deutschen Energie- und Klimapolitik ist ehrgeizig: bis 2050 sollen die Emissionen von Treibhausgasen gegenüber 1990 um mindestens 80 Prozent, am besten um 95 Prozent sinken. Dazu kommen die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz nach denen die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, besser auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Der Gebäudesektor spielt bekanntlich eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Hier wird mehr Energie verbraucht als im Verkehr oder in der Industrie. Ein Großteil der für die Energiewende insgesamt aufzuwendenden Investitionen wird in diesem Sektor aufgebracht werden müssen.

Die Transformation des Gebäudebereichs und dessen Wärmebedarf ist für die Energiewende als Ganzes von entscheidender Bedeutung. Der Beitrag des Gebäudebereichs auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft in der Mitte des 21. Jahrhunderts basiert auf der Strategie „klimafreundliches Bauen und Wohnen“ der Bundesregierung (Klima-Aktionsprogramm 2020). Diese hat zum Ziel, bis zum Jahr 2050 nahezu klimaneutrale Städte und Gemeinden zu realisieren – und dabei die Lebensqualität weiter zu verbessern. Hierfür greift die Strategie „klimafreundliches Bauen und Wohnen“ auch die Ergebnisse der „Energieeffizienz-Strategie Gebäude“ (ESG) und des „Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen“ auf. Offen ist nur die Umsetzung!

Eine vor kurzem von der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea), der Deutschen Energie-Agentur (dena) und weiterer Branchenverbände beauftragte Gebäudestudie „Szenarien für eine marktwirtschaftliche Klima- und Ressourcenschutzpolitik 2050 im Gebäudesektor“ zeigt eindeutig, dass eine „Weiter so wie bisher“-Strategie nicht ausreichen wird, um die Klimaschutzziele im Gebäudebereich nur annährend zu erreichen. Die wissenschaftliche Ausarbeitung erfolgte durch das ewi Energy Research & Scenarios, das Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG Dresden) sowie das Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW München).

Mit Hilfe praxisnaher Transformationspfade, welche die Wirkungszusammenhänge aus Gebäudehülle, Anlagentechnik und Energiebereitstellung berücksichtigen, sollte untersucht werden, wie die klimapolitischen Ziele im Gebäudesektor (Zielerreichung von 80 bzw. 95 Prozent Treibhausgasminderung) gelingen können. Es wurden die drei Szenarien Referenz, Elektrifizierung und Technologiemix betrachtet. Das Referenzszenario baut auf aktuellen Rahmenbedingungen und Marktentwicklungen auf und schreibt die heutigen Tendenzen fort. Während das Technologiemixszenario auf ein breites Spektrum an Technologien setzt, zielt das Elektrifizierungsszenario auf einen sehr starken Einsatz von erneuerbarem Strom im Wärmebereich ab.

Die gute Nachricht ist, dass die Zielerreichung der Klimaschutzziele 2050 technisch sowie finanziell möglich ist. Aber dafür müssen wir uns erheblich mehr anstrengen und uns mehr einfallen lassen als bisher. Die Technologien dafür sind heute schon bekannt und bestens erprobt. Die Energiewende im Gebäudesektor lässt sich am besten realisieren, wenn alle verfügbaren Effizienztechnologien wirtschaftlich eingesetzt und genutzt werden.

Die Studie belegt aber auch eindeutig, dass wir nicht nur auf eine einzelne Technologie (z. B. Elektrifizierung) setzen können, sondern der Dreiklang aus Effizienz, direkter Nutzung erneuerbarer Energien und Sektorkopplung ist der Schlüssel zum Erfolg. Investitionen in Gebäudesanierung und effiziente Anlagentechnik auf Basis erneuerbarer Energien sind die Grundlage für die Erreichung der Klimaziele.

In Zukunft werden Gebäude auch immer wichtiger für das Energiesystem, indem sie Energie produzieren und speichern. Um diese Potenziale zu erschließen, brauchen wir für den sehr heterogenen und kleinteiligen Gebäudesektor offene Technologiepfade, die Faktoren wie Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Akzeptanz seitens der Bevölkerung berücksichtigen.

Steigerung der Sanierungsrate: eine große Herausforderung

Egal welche Studien und Szenarien man sich anschaut, eins wird immer deutlich: bis 2050 müssen jedes Jahr deutlich mehr Gebäude als bisher saniert werden. Es müssen endlich die großen CO2– und Energieeinsparpotenziale bei Gebäuden mobilisiert werden. Wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat, der weiß, dass selbst eine Sanierungsrate von 1,5 Prozent ein ambitioniertes Ziel ist. Technologische Lösungen gibt es genug. Auch an guten Vorsätzen auf Seiten von Politik und Wirtschaft mangelt es eigentlich nicht. Trotzdem haben wir zuletzt deutlich unter ein Prozent pro Jahr erreicht. Das hat viele Gründe und Ursachen.

Hervorzuheben ist die Bedeutung des zeitlichen Horizonts. 2050 könnte als in weiter Ferne liegend empfunden werden. Das ist aber in keiner Weise der Fall. 2050 ist das Ziel, das nur erreichbar ist, wenn jetzt und unmittelbar gehandelt wird. Dazu müssten wir, im Vergleich zum Status quo, die Sanierungsaktivitäten so schnell wie möglich um mindestens 40 bis 50 Prozent steigern und dafür auch eine breite gesellschaftliche Zustimmung finden. Oberste Prämisse ist die Reduktion des Endenergiebedarfs.

Ein Blick auf die heute mangelhafte Zielerreichung macht klar: Die bestehenden Instrumente müssen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, damit sie einfacher, schneller und zielgerichteter ihre Wirkung entfalten. Das heißt, dass das Ziel sein muss, deutlich mehr energetisch hochwertige Sanierungsmaßnahmen in der Anlagentechnik und an der Gebäudehülle auszulösen als heute, ohne dabei die Leistungsfähigkeit der investierenden Gebäudeeigentümer und der Nutzer bzw. Mieter zu überfordern.

Förderrecht und Ordnungsrecht bieten eine gute Basis für konkrete Maßnahmen, die jetzt weiterentwickelt werden müssten. Wir brauchen dringend eine attraktive Förderung, um die Finanzierungslücke bei energetischen Sanierungsmaßnahmen zu schließen und Investitionen in Gebäudeenergieeffizienz zu steigern. Wir müssen das Potential dieses schlafenden Riesen schnellstmöglich bedienen und handeln. Ein „Weiter wie bisher“ reicht nicht!

BFW-Kommentar

Die geea-Gebäudestudie enthält einige der möglichen Berechnungsmodelle, um den klimaneutralen Gebäudestandard bis 2050 zu erreichen. Die damit verbundene gesamtwirtschaftliche Betrachtung ist positiv, hat jedoch Grenzen, weil sie die einzelwirtschaftlichen Kriterien für immobilienwirtschaftliche Investitionsentscheidungen unberücksichtigt lässt.

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