RA und BFW-Verbandsjurist
Auf allen Ebenen des Bauwesens wird – wir haben vielfältig darüber berichtet – über Möglichkeiten beraten, wie Bauen günstiger gestaltet und damit insbesondere im Wohnungsneubau höhere Stückzahlen erzeugt werden können.
An vielen Stellen sind noch sehr unterschiedliche Auffassungen dazu zu hören sind, wie dieses Ziel durch gesetzgeberische Maßnahmen aber auch Veränderung bei der Formulierung technischer Regelwerke, insbesondere der DIN-Normen, erreicht werden könnte.
In Fachkreisen ist man sich aber weitgehend darüber einig, dass ein zentraler Hemmschuh für rechtssichere vertragliche Vereinbarungen beim kostengünstigeres Bauen in der sogenannten „Vermutungswirkung“ liegt, die die oberen Gerichte – und ihr folgend auch die unteren Instanzgerichte – speziell den DIN-Normen zurechnen.
Der bisher allseits anerkannte Maßstab für eine mangelfreie Bauausführung sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik. In der VOB/B wird dieser Begriff ausdrücklich verwendet aber auch in den Bauverträgen denen ausschließlich das BGB-Wertvertragsrecht zu Grunde liegt orientiert man sich an diesem Maßstab, auch wenn der Begriff dort nicht im Gesetz steht.
Die angesprochene Vermutungswirkung bedeutet nun, dass eine Bauleistung als den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend vermutet wird, wenn feststeht, dass die dafür einschlägigen DIN-Normen eingehalten worden sind.
Anderen technischen Regelwerken billigt man diese Vermutungswirkung im Gegensatz dazu nicht zu.
In der aktuellen Fachdiskussion um günstigeres Bauen besteht nun inzwischen weitgehende Einigkeit, das eine Vielzahl für den Bau anzuwendender DIN-Normen unnötig hohe Anforderungen festlegt. Grund dafür ist, dass die Normen oft nicht entsprechend den eigenen Regeln des DIN (DIN 820) zu Stande gekommen sind. Vielmehr lässt sich bei einer ganzen Reihe der Baunormen deutlich der Einfluss bestimmter Interessengruppen ablesen. Schaut man genau hin kann zum Beispiel festgestellt werden, dass oft das vom DIN für das Entstehen von Normen vorgeschriebene Konsensprinzip, also die weitgehende Einigkeit innerhalb des jeweiligen eine Norm erarbeitenden Gremiums, nicht umgesetzt worden ist, sondern die Regelungen mit knappen Mehrheiten beschlossen wurden.
Wenn nun aber trotzdem die vielfach unnötig hohen DIN-Anforderungen in der Praxis die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ darstellen, dann bedeutet dies, dass in der Baupraxis eben stets und streng nach den DIN-Normen gebaut werden muss und damit unnötig hohe Kosten unvermeidbar sind. Nach dem heutigen Rechtsstand ist eine vertragliche Abweichung von diesen Regeln zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber wegen der kaum erfüllbaren Aufklärungsanforderungen nach allgemeiner Auffassung nicht ohne erhebliche Risiken umsetzbar.
Nachhaltige Abhilfe könnte hier nur durch gesetzliche Maßnahmen erreicht werden, die entweder die Vermutungswirkung für DIN-Normen oder die sklavische Orientierung an den allgemein anerkannten Regeln der Technik grundlegend verändern. Vorschläge, wie dies erreicht werden kann liegen – nicht zuletzt von Seiten des BFW, gestützt durch zwei vorgelegte detaillierte Fachgutachten – längst vor.
Wie verhält sich der BGH in dieser Situation?
Der Bundesgerichtshof ist von diesen seit inzwischen schon mehreren Jahren laufenden Diskussionen offensichtlich völlig unbeeindruckt. Dies zeigt sich an einem Urteil vom 23.05.2025 -V ZR 39/24- in dem die beschriebene Vermutungswirkung für die DIN-Normen noch einmal ausdrücklich bestätigt wird. Der V. Zivilsenat des BGH, der dieses Urteil verfasst hat, ist zwar nicht der speziell für das Bauvertragsrecht zuständige Senat, was aber an der Signalwirkung der Entscheidung absolut nichts ändert, zumal sie beim Baurechtssenat (VII. Senat) vermutlich kaum anders ausfallen würde.
Es zeigt sich also, wie notwendig und richtig es ist, kurzfristige gesetzliche Änderungen einzufordern. Nur dann kann mit ausreichender Sicherheit kostengünstigeres Bauen in der Praxis umgesetzt werden.
- Hans-Ulrich Niepmann
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