Im letzten Jahr hat der BFW einen Digitalisierungsbeirat gegründet, um Hand in Hand mit Partnern aus Industrie und Wirtschaft Trends und neue Technologien zu bewerten sowie Chancen und Risiken der digitalen Transformation entlang der gesamten Immobilien-Wertschöpfungskette aufzuzeigen. Die DORNIEDEN Gruppe ist im Digitalisierungsbeirat vertreten. Die FWW sprach mit dem Geschäftsführer der Gruppe Martin Dornieden.
Herr Dornieden, die Digitalisierung ist in aller Munde und verändert unser Leben und unsere Arbeitswelt. Hat die mittelständische Immobilienwirtschaft die Zeichen der Zeit erkannt?
Ich möchte es mal so formulieren: Die Unternehmen sind sich des digitalen Wandels durchaus bewusst, aber viele müssen auch die Chancen wahrnehmen, die sich daraus ergeben. Vieles steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Unternehmer wissen nicht, welche Mittel und Wege nötig sind, um die Digitalisierung in ihrem Unternehmen voranzutreiben. Oft fängt es bereits mit einer Begriffsdefinition an: Was bedeutet eigentlich Digitalisierung für ein Unternehmen und was möchte man damit erreichen?
Eine Frage, die Sie sicherlich jetzt ausführlich beantworten werden!
Bei der Digitalisierung geht es zum einen um die Optimierung unternehmensinterner Prozesse, damit Projekte effizient und ressourcensparend abgewickelt werden können und zum anderen um die Verbesserung der Kommunikation mit Kunden, Interessenten und Partnern und Kollegen. Digitalisierung verändert Konsum, Komfort und Arbeitswelt. Wir wollen mit dem digitalen Wandel einen Mehrwert für unsere Kunden schaffen. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern ist Chance und Problemlöser. Mit digitalen Technologien eröffnen sich beispielsweise ganz neue Möglichkeiten, unseren Zielgruppen Immobilienprojekte zu präsentieren: komfortabel, anschaulich und für jeden greifbar.
Können Sie „Best practice“-Beispiele nennen?
Wir halten den Einsatz von digitalen Technologien in der Kundenberatung für ein wichtiges ergänzendes Tool. Demnach befassen wir uns aktuell mit dem Thema AR-App, die dem Kunden eine 3D-Visualisierung von Bauprojekten ermöglichen soll. Per Smartphone oder Tablet erhält man so einen 3D-Blick auf Wohnquartiere. Die Virtualisierung zeigt unter anderem auf, wie Grünflächen und ein offenes Wegenetz ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Mit einer solchen App kann man als Betrachter unterschiedliche Blickwinkel einnehmen, man ist quasi Regisseur seines eigenen Films. Darüber hinaus ist auch Virtual Reality ein Thema. Wir bereiten gerade ein entsprechendes Angebot vor.
Wird AR/VR die bisherigen Vertriebsprozesse verändern?
Ja. Die neue Technologie kann als sinnvolle kundenorientierte Ergänzung zum bestehenden Verkaufsprozess eingesetzt werden. Wenn man virtuell Türgriffe oder Fliesen auswählt, kann man optisch bereits abschätzen, ob sie zur Inneneinrichtung passen. Dennoch kann VR die taktile Wahrnehmung nicht vermitteln, das „Anfassen“ muss real erlebbar bleiben. Insofern ist VR nur ein ergänzendes Angebot. Musterhäuser wird es auch in Zukunft geben.
Wie verändert Digitalisierung die Unternehmenskultur?
Die digitale Transformation beinhaltet viele Bereiche und besteht sowohl aus technischen, strukturellen und psychologisch-kulturellen Komponenten. Demnach erfordert die digitale Transformation auch ein Umdenken hinsichtlich der Unternehmenskultur sowie der Führungsgrundsätze. Mit „Digital Leadership“ und Kultur sollen neue Organisationsformen und Wertesysteme Kreativität und Innovation im Unternehmen aktiv fördern. Aktuell arbeitet eine Projektgruppe an der Entwicklung und „Schärfung“ unserer Unternehmens- und Führungsleitsätze, um hier das richtige Fundament für die digitale Transformation legen zu können. Auf der technischen Seite sind wir gerade dabei, eine neue Software einzuführen. Die Bausoftware erhöht mittels BIM die Planungssicherheit und Kosteneffizienz durch 3D-Modellierung und automatisierte Kalkulation. Mit digitalen Arbeitsmitteln ermöglichen wir zudem mobiles Arbeiten auf der Baustelle. Neue Wege gehen wir auch im Marketing. Das Social Media-Marketing ist beispielsweise ein Bereich, der enorme Möglichkeiten bietet.
Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch das eigene Zuhause. Smart Home ist diesbezüglich das Stichwort!
Das automatisierte Zuhause wird kommen und uns viele Dinge des Alltags erleichtern: Rollläden, die automatisch zum Sonnenuntergang runterfahren, Duschwasser mit der perfekten Temperatur, intelligente Haushaltsgeräte und Heizkörperthermostate und vieles mehr werden in absehbarer Zukunft keine Sonderwünsche sein, sondern Standard.
Gibt es auch Risiken bzw. Schwierigkeiten, die man beim digitalen Wandel berücksichtigen muss?
Eine Digitalisierung bekommt man nicht zum Nulltarif: Sie kostet Geld! Sie ist auch nur bedingt planbar. Da man im Vorfeld nur teilweise einschätzen kann, wie das Ergebnis aussieht und keine Vergleichsmöglichkeiten hat, ist das immer auch ein Wagnis. Und nicht alles wird sich problemlos digitalisieren lassen! Man muss als Unternehmen bereit sein, auch mal ein Wagnis einzugehen. Darüber hinaus muss man stets den Datenschutz und die Datensicherheit im Auge behalten. Das ist keine Aufgabe, die man nebenher bewerkstelligen kann.
Was sollte ein Unternehmen daher tun?
Viele Unternehmen würden sich gerne stärker mit digitalen Technologien beschäftigen. Doch es fehlt häufig an Geld und Personal. Ich rate dazu, schrittweise kleinere Projekte umzusetzen oder sich zu speziellen Themen das Know-how von Start-ups ins Haus zu holen. Zudem lohnt es sich, eine feste Person zu benennen und/oder eine Arbeitsgruppe Digitalisierung einzuführen, die den digitalen Wandel koordiniert und die dafür nötigen Aufgaben anstößt sowie eine fortlaufende Erfolgskontrolle gewährleistet. Wichtig dabei ist, dass die Geschäftsführung die Bedeutung der Projekte klar kommuniziert und den Teams volle Handlungsmöglichkeiten einräumt. So entstehen Freiräume. Die Digitalisierung kann nur erfolgreich sein, wenn am Ende alle Mitarbeiter mitziehen und sich beteiligen. Das ist kein Selbstläufer. Das erfordert Mut, Dinge anders zu machen als bisher. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Digitalisierung ist kein Projekt, sondern ein Weg.
Welche Wegstrecke haben Sie im Unternehmen bereits zurückgelegt?
Ich würde sagen, dass wir bereits einen soliden Grundstein gelegt haben. Wir haben strategische Partnerschaften geschlossen, um die Digitalisierung voranzutreiben und uns mit der Einführung eines Innovationsbereiches organisatorisch neu aufgestellt. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass in Zeiten von Internet of Things, Smart Cities und dem fortschreitenden Convenience-Gedanken in naher Zukunft alles, was in irgendeiner Form automatisiert werden kann, automatisiert und digitalisiert wird. Diese Entwicklung möchten wir nach unseren Möglichkeiten mitgestalten und ihr nicht hinterherlaufen.
Herr Dornieden, wir danken Ihnen für das Gespräch.