Pressesprecherin, PR/Kommunikation
„Der Baulandmarkt in Deutschland trocknet aus“ – so lautet das alarmierende Fazit der Studie, die der BFW mit dem Verbändebündnis Wohnungsbau am 9. Mai in Berlin vorgestellt. BFW-Vizepräsident Frank Vierkötter, Mitglied der Baulandkommission des Bundesbauministeriums, hat die Studie mit den Bündnis-Kollegen auf dem Wohnungsbautag präsentiert. Der Bremer ist Vorstandschef eines Immobilienunternehmens, das überwiegend Wohnraum im niedrigen Preissegment baut. Wie sich der Baulandmangel auf den bezahlbaren Wohnungsneubau auswirkt, berichtet Vierkötter im Interview.
BFW: Herr Vierkötter, laut der Studie des BFW und des Verbändebündnis Wohnungsbau sind der Baulandmangel und die explodierenden Baulandpreise die größten Hürden für den bezahlbaren Wohnungsneubau. Gilt das nur für die sieben A-Städte?
Vierkötter: Die Preise für baureifes Land haben sich in den A-Städten von 2011 bis 2017 durchschnittlich verdoppelt, in Berlin nahezu verdreifacht. In den kleineren B-Städten entwickelt sich die Situation ähnlich dramatisch: Auch dort haben sich die Preise im genannten Zeitraum mehr als verdoppelt. Die Situation spitzt sich also in immer mehr Städten zu.
Verschärft wird das Problem noch dadurch, dass immer seltener und immer weniger Bauland verkauft wird. In den A-Standorten ist die Zahl der Verkaufsfälle zwischen 2011 bis 2017 um ein Drittel zurückgegangen. Das bedeutet einen Rückgang der verkauften Baulandfläche um 27%. Im gleichen Zeitraum ist der Verkauf von entwickelter Baulandfläche in den A-, B- und C-Städten um 775 Hektar zurückgegangen. Darauf hätten wir 62.000 Wohnungen für 120.000 Menschen bauen können!
BFW: Was bedeutet der austrocknende Baulandmarkt für Sie als Immobilienunternehmer?
Vierkötter: Mittlerweile sind zwanzig Mitarbeiter in meinem Unternehmen allein damit beschäftigt, bundesweit nach Bauland für unsere Neubauprojekte zu fahnden. Das gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Selbst wenn wir noch Bauland bekommen, können wir die explodierenden Baulandpreise im preiswerten Wohnungssegment kaum noch auffangen.
Dabei ist mein Unternehmen seit 50 Jahren auf dieses Preissegment spezialisiert. Wir haben bundesweit für rund 35.000 Menschen ein neues Zuhause geschaffen. Die Quadratur des Kreises schaffen wir aber nicht: Immer mehr bezahlbaren Neubau auf immer weniger und immer teurerem Bauland. Wie soll das funktionieren?
BFW: Können die steigenden Grundstückskosten nicht durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden?
Vierkötter: Dafür haben wir immer weniger Spielraum. Auch das zeigt unsere Studie an einer Modellrechnung auf. Wenn die Grundstückskosten einen immer höheren Gesamtkostenanteil ausmachen und sich binnen fünf Jahren verdoppeln – wie soll das bei einem eng kalkulierten Projekt kompensiert werden? Die Erschließungskosten, die zahllosen Auflagen für Brandschutz, Lärmschutz und die energetischen Vorgaben – die gelten ja genauso für das preiswerte wie für das höherpreisige Segment! Nicht zuletzt haben sich diese bauordnungsrechtlichen Vorgaben seit 1990 vervierfacht.
BFW: Was muss jetzt passieren?
Nur der Staat kann Bauland ausweisen. Und wenn er das nicht tut, brauchen wir an den anderen Stellschrauben für die Neubauförderung gar nicht erst zu drehen! Ohne bezahlbares Bauland gibt es kein bezahlbares Bauen und kein bezahlbares Wohnen. Diese grundlegende Logik ist bei vielen Kommunen aber noch nicht angekommen. In unserer neuen BFW-Mitgliederumfrage haben 40% der befragten Immobilienunternehmen angegeben, dass Grundstücke von den Kommunen noch immer im Höchstpreisverfahren vergeben werden. Über 40% berichten, dass die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren die Kosten weiter in die Höhe treiben.
BFW: Wo sehen Ihre Mitgliedsunternehmen die größten Widerstände?
Einer der Spitzenreiter ist Berlin – im negativen Sinn. Hier hat sich die Festsetzung von Bebauungsplan-Verfahren, also der Umwandlung von Grundstücken in baureifes Land, in den vergangenen beiden Jahren halbiert. Ein B-Planverfahren dauert dort im Durchschnitt neun Jahre. Und dann rollt immer noch kein Bagger – denn dann gehen noch mal ein paar Jahre für das Genehmigungsverfahren ins Land.
Deshalb brauchen wir dringend schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dazu gehört auch mehr und besser qualifiziertes Personal in der Verwaltung. Auch serielle Baugenehmigungen wären ein wichtiger Schritt, um Bauämter zu entlasten und die Prozesse zu beschleunigen. Regionale Datenbanken für Baulücken könnten für mehr Transparenz sorgen. Vor allem aber brauchen wir den unbedingten Willen für mehr Neubau an der politischen Spitze. Aber genau da hapert´s oft am meisten!
BFW: Bleiben die A-Städte trotzdem ein Schwerpunkt für die mittelständischen Immobilienunternehmen?
Vierkötter: In unserer Mitgliederumfrage haben fast zwei Drittel der Befragten angegeben, dass der Wohnungsneubau in den A-Städten für sie immer unattraktiver wird und sie verstärkt in den B-Städten bauen wollen. Wohlgemerkt: Das sind nicht ein paar vereinzelte Unternehmen. Unsere mittelständischen Mitgliedsunternehmen stemmen 50% des Wohnungsneubaus in Deutschland! Und wenn der Mittelstand kaum noch in der Region und in dem Segment bauen kann, in dem die meisten Menschen Wohnraum brauchen, dann steht hier bald der gesellschaftliche Frieden auf dem Spiel. Immer mehr Menschen haben Angst, sich ihren Wohnraum nicht mehr leisten zu können. Und wer Angst hat, wird anfällig für populistische Scheinlösungen!
BFW: Damit wären wir beim Stichwort „Enteignungen“. In Berlin hat der BFW den Forderungen nach einer Enteignung großer Immobilienunternehmen eine klare Absage erteilt. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer droht nun Grundstücksbesitzern, die sich nicht zum Bauen bewegen lassen, mit Enteignung. Ist dieser Weg zielführend, um mehr Wohnraum zu schaffen?
Nein, das ist der falsche Weg. Bauen ist so unheimlich kompliziert geworden, dass Menschen ohne unbedingten Bauwillen, aber auch ohne entsprechende Kenntnisse auf verlorenem Posten stehen. Auch unserem Unternehmen gelingt die Entwicklung von Baugrundstücken kaum noch allein, immer häufiger müssen wir Projektgesellschaften gründen. Hat man diese Hürde genommen, muss man sehr viel Zeit aufwenden, bis die endgültige Baureife durch die Ämter bestätigt wird und kann dann erst mit dem Bau beginnen.
Hier zeigt sich die Crux dieser Idee: Grundstücksbesitzer sollen enteignet werden, um mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Gleichzeitig verkomplizieren und erschweren Bund, Länder und Kommunen den Wohnungsneubau immer weiter, statt ihn zu erleichtern. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.