Vom 6. bis 9 Juni 2024 wird ein neues Europaparlament gewählt. Danach wählt dieses auf Vorschlag der Staats- und Regierungschefs eine Kommissionspräsidentin bzw. einen -präsidenten. Die nächsten Wochen werden über die politische Ausrichtung des Kontinents für die nächsten fünf Jahre entscheiden. Der BFW hat seine Forderungen formuliert und an die politischen Entscheider versandt. Alle 12 Forderungen finden Sie unten.
Der Wohnungsbau in der Europäischen Union steckt in der Krise. Hohe Baukosten und gestiegene Zinsen machen Wohnen für breite Bevölkerungsschichten unbezahlbar. Die regulatorischen Vorgaben aus Brüssel im Rahmen des Green Deal und der EPBD-Novelle haben erheblich dazu beigetragen.
In der nächsten Legislaturperiode muss der Fokus auf der Bezahlbarkeit des Wohnens liegen. Denn Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Daher müssen neue Wohnungen gebaut werden. In Europa ist es der Mittelstand, der den Wohnraum baut, den die Menschen brauchen. Die EU muss dem Mittelstand die Rahmenbedingungen bieten, damit dieser bezahlbaren Wohnraum schaffen kann.
1. Mittelstand stärken.
Der Mittelstand ist ein zentraler Pfeiler der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die Politik der Europäischen Union muss daher konsequent auf eine Stärkung des Mittelstands ausgerichtet werden. Dazu zählt insbesondere der Verzicht auf überbordende Bürokratie und kleinteilige Regulatorik. Die mittelständische Immobilienwirtschaft braucht die politischen Rahmenbedingungen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Technologieoffenheit und Innovationskraft des freien Marktes müssen erhalten bleiben.
2. Bezahlbarer Wohnraum für alle.
Die Bezahlbarkeit von Wohnraum ist die zentrale Frage unserer Zeit. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Die EU muss daher alles in ihrer Macht Stehende tun, damit seine Bürger Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben. Bisher hat die EU diese Thematik nicht priorisiert. Es müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Wohnungen frei finanziert werden können und Wohnungsbau nicht von staatlichen Subventionen abhängt.
3. Keine Harmonisierung der Gebäudeklassen.
Der BFW Bundesverband fordert eine Evaluierung auf wissenschaftlicher Basis, inwieweit die EU-Gebäudeklassen miteinander vergleichbar sind und als Grundlage für europäische Vorgaben dienen können. Ergibt die Evaluierung, dass eine Vergleichbarkeit von der Europäischen Kommission nicht nachgewiesen werden kann, muss auf die Nutzung von Gebäudeklassen für europäische Vorgaben verzichtet werden. Stattdessen müssen den Mitgliedsstaaten Zielvorgaben gemacht werden, die von diesen eigenverantwortlich umgesetzt werden müssen.
4. Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gewährleisten.
In Europa gilt das Subsidiaritätsprinzip, das besagt, dass eine höhere politische Ebene Aufgaben lediglich dann übernehmen darf, wenn die untergeordneten Ebenen dies nicht vermögen. Der BFW Bundesverband fordert die konsequente Einhaltung dieses Prinzips. Die EU ist dann stark, wenn sie sich auf die wesentlichen Kernthemen konzentriert. Nicht alles muss im Detail von der EU geregelt werden. Die nationalen Spielräume müssen erhalten bleiben.
5. Höhere Neubaustandards wirtschaftlich tragfähig gestalten.
Die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) enthält höhere Anforderungen an den Neubaustandard. Ab dem Jahr 2030 müssen alle neugebauten Gebäude Nullemissionsgebäude sein. Diese extrem hohen Anforderungen sind wirtschaftlich nicht darstellbar. Der BFW Bundesverband lehnt diese höheren Neubaustandards ab. Die EPBD muss auf ein wirtschaftlich tragfähiges Niveau zurückgeführt werden. Die Vorprüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit muss von der EU nachgeholt werden.
6. Emissionseffizienz statt Energieeffizienz.
Die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) ist auf Energieeffizienz ausgerichtet. Der BFW Bundesverband fordert einen Paradigmenwechsel hin zu Emissionseffizienz. Die Anforderungssystematik für den Bau von Gebäuden muss grundlegend überarbeitet werden. Nur mit einer Ausrichtung auf Emissionseffizienz können die Klimaziele erreicht werden.
7. Förderrecht zukunftsfest gestalten.
Es muss sichergestellt werden, dass nationale und europäische Förderprogramme vorhandene Wirtschaftlichkeitslücken schließen. Mehrkosten für höhere Standards müssen kompensiert werden. Die Förderprogramme brauchen einen Paradigmenwechsel und müssen konsequent auf Emissionseffizienz umgestellt werden.
8. Bürokratie abbauen.
Die Europäische Union muss sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren und den Menschen und der Wirtschaft Freiheit im Handeln lassen. Dazu braucht es weniger Regulierung und Bürokratie. Der BFW Bundesverband fordert, dass die europäischen Institutionen auf die Schaffung von mehr Regulatorik und Bürokratie verzichten und einen Prozess starten, um überflüssige Regulatorik und Bürokratie zu identifizieren und abzuschaffen. Die EU muss nicht alles im Detail regeln. Vielfach genügen europäische Zielvorgaben, die die Mitgliedsstaaten eingeständig umsetzen. Die EU braucht so viel Regulatorik wie nötig und so wenig wie möglich.
9. EU-Taxonomie praxisgerecht ausgestalten.
Die EU-Taxonomie stellt neben der EU-Gebäuderichtlinie eine weitere enorme Anforderung an die mittelständische Immobilienwirtschaft dar. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass Finanzinstitute und Kapitalgeber Daten zur Nachhaltigkeit von Unternehmen verlangen. Auch durch die Einbindung in die Wertschöpfungskette entstehen Anforderungen. Für kleinere und mittlere Unternehmen sind diese Berichtspflichten eine besondere Belastung. Auch kann so der Zugang zu Finanzierung erschwert werden. Der BFW Bundesverband fordert daher eine praxisgerechte Ausgestaltung der EU-Taxonomie insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
10. Grenzen beim EU-Bauproduktenrecht beachten.
Die europaweite Harmonisierung von Produktqualitäten im Bauproduktenrecht funktioniert nicht widerspruchsfrei. Grund dafür ist die fehlende Harmonisierung der Prüfnormen, die europaweit zu unterschiedlichen Bauqualitäten und damit u. a. auch zu unterschiedlichen Effizienzwerten führt. Die europäische Vereinheitlichung der energetischen Standards scheitert daher bereits an den Regelungen des europäischen Bauproduktenrechts. Nur wenn auch die Grenzen der europäischen Angleichung im Bauproduktenrecht beachtet werden, führt dies zu einer Stärkung des freien europäischen Wettbewerbs.
11. Europäische Normung auf Gefahrenabwehr beschränken.
Ziel muss es sein, die Prozesse der Normung und Standardisierung so anzupassen, dass Bauen günstiger wird. Nur gute, einfache, kostengünstige und auf Gefahrenabwehr beschränkte Standards dürfen Grundlagen ordnungsrechtlicher Anforderungen für das Bauen sein. Der BFW Bundesverband fordert daher eine Folgekostenabschätzung für Normungsverfahren in der die Kosten des Bauens und Wohnens berücksichtigt werden.
12. Arbeitnehmerfreizügigkeit sichern.
Zum Bau von bezahlbarem Wohnraum werden Fachkräfte benötigt. Darum ist es wichtig, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa zu sichern. So kann dazu beigetragen werden, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette Fachkräfte zur Verfügung stehen und bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.
- Lukas Behrendt, Referent für Politik und Europa
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