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Bedarf an neuen Sozialwohnungen

Der soziale Wohnungsbau erlebt derzeit eine Renaissance. Die Politik reagiert damit auf die steigenden Mieten und den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Grundsätzlich ist es richtig, bei steigender Nachfrage auf den Neubau zu setzen.

Das politische Ziel von jährlich 100.000 Sozialwohnungen ist jedoch kritisch zu sehen, da es nicht empirisch begründet ist, sondern eine normativ gesetzte und hoch angesetzte Vorgabe darstellt. Der Beitrag zeigt auf, dass bis 2035 im Durchschnitt jedes Jahr 40.000 Wohnungen aus der Bindung fallen und diskutiert, wie viele neue Sozialwohnungen benötigt werden. Dabei wird deutlich, dass sich ein konkreter Bedarf nicht quantifizieren lässt, da regional differenziert zu prüfen ist, ob die Wohnraumversorgung aller Bevölkerungsgruppen mit allen sozial- und wohnungspolitischen Instrumenten gesichert wird.

Die Wohnraumförderung liegt seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 in der Hand der Länder. Die heutige Wohnraumförderung hat nur noch wenig mit dem sozialen Wohnungsbau der alten Wohnungsbaugesetze gemein. Bis 2001 wurde versucht, mit möglichst vielen Neubauten breiten Bevölkerungsschichten die Versorgung mit Wohnraum zu erleichtern. Der Fokus der sozialen Wohnraumförderung liegt dagegen nun auf bedürftigen Haushalten, die auf Unterstützung angewiesen sind. Diese Fokussierung war richtig und hat die Zielgenauigkeit der öffentlichen Wohnraumförderung verbessert. Seit der Reform 2006 erhalten die Länder Kompensationsmittel in Höhe von jährlich 518,2 Mio. Euro. Diese Summe wurde zuletzt deutlich erhöht. Im Zeitraum 2022 bis 2026 stellt der Bund Finanzhilfen von 14,5 Mrd. Euro (2,9 Mrd. Euro p.a.) zur Verfügung (zum Vergleich: Wohngeld 2023: 5,2 Mrd. Euro; BMWSB, 2023).

Rolle der sozialen Wohnraumförderung

Grundsätzlich existieren im Wohnungsmarkt drei sozialpolitische Probleme: die Verfügbarkeit, der Zugang und die Bezahlbarkeit von Wohnraum. Die Verfügbarkeit betrifft die ausreichende Menge von Wohnraum, auch differenziert hinsichtlich Wohnungsgröße, Zimmeranzahl oder der Barrierefreiheit. Das Zugangsproblem entsteht, da bestimmte Haushalte unter Selektionskriterien des freien Wohnungsmarktes nur geringe Chancen auf eine Mietwohnung besitzen. Diese Chancenarmut stellt dabei nicht nur auf die geringe Wohnkaufkraft ab, sondern insbesondere auch auf andere Merkmale, wie Diskriminierungstatbestände. Die Möglichkeit, Haushalten über Belegungsrechte, insbesondere aber über die gezielter nutzbaren Benennungsrechte Wohnraum zur Verfügung stellen zu können, ist daher ein zentraler Aspekt der Objektförderung. Das Problem der Zahlungsfähigkeit der Haushalte basiert auf geringen Einkommen und Vermögen, sodass es bei der Subjektförderung (z. B. Wohngeld) im Vordergrund steht, jedoch auch über die Mietverbilligung im sozialen Wohnungsbau adressiert wird.

Abschmelzender Bindungsbestand

Seit 1990 ist der Bestand an gebundenen Mietwohnungen („Sozialmietwohnungen“) kontinuierlich zurückgegangen. Der genaue Rückgang ist dabei unbekannt, da eine amtliche Statistik fehlt. Nach Schätzungen auf Grundlage der Angaben der Länder ist der Bestand von 2,87 Mio. (1990) auf 1,07 Mio. (2022) deutlich zurückgegangen (Abbildung). Dabei verlief der Rückgang mit 33.000 Wohneinheiten pro Jahr bis zur umfassenden Reform des sozialen Wohnungsbaus und der Einführung des Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) im Jahr 2002 noch moderat. Erst seither (2002–2022) wird der Bestand um jährlich 74.000 Wohnungen schnell kleiner. Die Bestandsentwicklung resultiert aus der Differenz der Zugänge (durch Neubau oder Bestandsmaßnahmen) und den auslaufenden Bindungen. Eigene Berechnungen zeigen, dass von 2023 bis 2035 rund 519.000 neue Bindungen im Mietwohnungssegment entstehen müssten, um den Sozialmietwohnungsbestand konstant zu halten. Das entspricht 41.200 Wohnungen pro Jahr. Speziell in den nächsten Jahren bis 2030 werden die Bestände mit bis zu 50.000 p.a. zurückgehen. Ursache hierfür ist, dass bis 2002 deutlich mehr Sozialwohnungen geschaffen wurden, die bei einer Bindungsdauer von typischer Weise 25 oder 30 Jahren in den nächsten Jahren aus der Bindung fallen werden. Dies trifft speziell Nordrhein-Westfalen mit den meisten Sozialwohnungen in Deutschland, wo sich 2021 41 Prozent der Wohnungen in der Nachwirkungsfrist befinden, in der die Mietpreis- und Belegungsbindung bei vorzeitiger Darlehenstilgung für bis zu 10 Jahre weiterbesteht (NRW Bank, 2021). Aufgrund der schwierigen Lage im Wohnungsbau dürfte der Rückgang der Sozialwohnungsbestande trotz hoher Fördermittel nicht gestoppt werden, da im Vergleich zu den letzten Jahren (21.600 p.a. zwischen 2018 und 2022) mehr als doppelt so viele Sozialmietwohnungen neu gebaut werden müssten.

Diskussion über Sozialwohnungsbedarf

Die Rolle des sozialen Wohnungsbaus wird in der Wissenschaft sehr unterschiedlich bewertet, speziell da die soziale Treffsicherheit gering ist (Sagner et al., 2020). Der Bedarf lässt sich kaum wissenschaftlich quantifizieren. Da das Ziel der sozialen Wohnungspolitik darin besteht, den auf Hilfe angewiesenen Haushalten eine angemessene Wohnungsversorgung zu garantieren, sind hierfür zunächst Bedarfsgruppen und Versorgungsprobleme zu identifizieren. Die angestrebten Versorgungsstandards sind im zweiten Schritt zu bestimmen, wobei diese auf politisch-normativen Wertordnungen basieren (Krapp/ von Malottki, 2017). Ein Neubau von Sozialwohnungen sollte dabei grundsätzlich dann infrage kommen, wenn sich das versorgungspolitische Ziel über den Markt nicht erreichen lässt. Zur exakten Dimensionierung des sozialen Wohnungsbaus müsste neben der Kenntnis der Versorgung auch bekannt sein, wie sich der soziale Wohnungsbau auf die Versorgung der Zielgruppen auswirkt.

Der Sozialwohnungsbedarf kann damit nicht vollumfänglich empirisch begründet werden, sondern ist normativ festzulegen. Der von der Politik angestrebte Zielwert von 100.000 Wohnungen pro Jahr ist jedoch an keinerlei Empirie rückgebunden. Für eine objektivere Diskussion können empirisch ermittelte Kennzahlen genutzt werden. Eine mögliche Kennzahl bildet die bestandsbezogene Förderquote. Dabei setzt man den vermieteten Wohnungsbestand (in Deutschland 2022 22,77 Mio.) mit dem geförderten Wohnungsbestand (1,07 Mio.) ins Verhältnis (ergibt 4,7 %). Eine Versorgungsnorm, also ein Zielwert lässt sich durch die Heterogenität der Wohnungsmärkte jedoch nicht ableiten. Eine weitere Kennzahl ist eine neubaubezogene Förderquote, welche die jährlichen Förderbewilligungen mit den gesamten Fertigstellungszahlen eines Jahres in Relation setzt. Eine solche Quote erlaubt eine gewisse Aussage über die Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation. Auch hier stellt sich jedoch das Problem, geförderte Mietwohnungen mit der gesamten Neubautätigkeit, die sich auf Eigenheime, Wohnheime, Eigentumswohnungen und Mietwohnungen erstreckt, in Bezug zu setzen. Unklar ist zudem, ob sich eine tatsächliche Verbesserung der Angebotssituation einstellt, da Bindungsausläufe unberücksichtigt bleiben. Gleichzeitig ist unklar, ob die Verbesserung bedarfsgerecht ist. Denn so kommen etwa geförderte Wohnungen im Bereich des studentischen Wohnens nicht dem allgemeinen Wohnungsmarkt zugute. Insgesamt sind mit dieser Quote lediglich Tendenzaussagen möglich. Hauptsächlich findet eine neubaubezogene Quote daher Anwendung bei der Kontrolle von kommunalen Zielsetzungen hinsichtlich einer Mindestquotierung von geförderten Wohnungen. Problematisch ist zudem, dass ein Bundes-Zielwert eine aufwendige „bottom-up“-Berechnung über Gebietskörperschaften hinweg erfordern würde.

Neben den genannten Konzepten bestehen auch weitere Ansätze, die versuchen, mit (regionalen) Analysen zur Wohnungsmarktsituation abzuleiten, wie viele Haushalte sich nicht mit ausreichend Wohnraum versorgen können (Pestel/ARGE, 2023). Beispiele sind der Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) oder die Wohnkostenbelastung. Diese Ansätze sind ebenfalls keine adäquate Versorgungsnorm. WBS-Ansprüche lassen beispielsweise die Wohnsituation der Haushalte unberücksichtigt. Quoten, die beschreiben, wie viele Haushalte über einer bestimmten Belastungsgrenze liegen, haben die Schwierigkeit, dass sie nur die Marktsituation beschreiben, aber keine Aussagen darüber ermöglichen, mit welchen Instrumenten die überbelasteten Haushalte entlastet werden sollten. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, dass sich die Politik auf den Erhalt des aktuellen Bestands an geförderten Wohnungen konzentriert und das Wohngeld stärkt. Dadurch rücken die Bindungsausläufe als Kennzahl in den Fokus, was einen praktikablen Weg darstellt, um eine empirische Grundlage über die Ableitung des Bedarfs zu diskutieren.

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