Roter Bauhelm auf einer Baustelle/Photo by Ümit Yıldırım on Unsplash

Bauindustrie: Fortschritte bei ESG, Stillstand bei der Digitalisierung

Inflation und hohe Zinsen, Ressourcenknappheit und Klimakrise: Die aktuellen Krisen haben deutliche Auswirkungen auf die Geschäftsaktivitäten in der Bauindustrie. Jedes zweite befragte Unternehmen bekommt die multiplen Krisen deutlich zu spüren. Während die Einführung digitaler Technologien in der Branche stockt, geht es in Sachen Nachhaltigkeit voran. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Befragung im Auftrag von PwC Deutschland unter 100 Bauunternehmen, Planern und Projektsteuerern.

Insbesondere die Volatilität der Preise macht den Unternehmen derzeit zu schaffen: 86 Prozent der Befragten beklagen sich darüber. Aber auch der zunehmende Kostendruck belastet die Baufirmen (83 Prozent). Zudem sind immer mehr Bauunternehmen und insbesondere Planer/Projektsteuerer von einem Wegfall von Projekten betroffen: In der aktuellen Studie berichten drei Viertel der Unternehmen (77 Prozent), dass ihnen derzeit Aufträge wegbrechen (Vorjahr: 55 Prozent).

Die Mehrheit der Befragten sieht folglich große Veränderungen auf die Branche zukommen: Rund zwei Drittel rechnen damit, dass sie mittelfristig neue Geschäftsfelder entwickeln werden. Jede:r zweite geht sogar von einer Neuausrichtung des Unternehmens aus, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Kaum Fortschritte bei der Digitalisierung der Baubranche

Ein wichtiger Mosaikstein, um auch in Krisenzeiten erfolgreich zu bleiben, könnte die Digitalisierung sein. Doch in diesem Bereich macht sich bei den Bauunternehmen eine gewisse Ernüchterung breit. Zwar ist knapp die Hälfte der Befragten (45 Prozent) der Meinung, dass der Digitalisierungsgrad in der deutschen Bauindustrie hoch ist – das sind allerdings drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Beim Einsatz digitaler Lösungen wie Laserscanning oder Virtual Reality sehen zwei Drittel der Unternehmen Nachholbedarf.

Hype um die Digitalisierung weicht Ernüchterung

Die Unternehmen erkennen zwar das große Potenzial, das die Nutzung digitaler Lösungen bietet. Im Vergleich zum Vorjahr scheint die Bedeutung jedoch abgenommen zu haben. Insbesondere Lösungen für Simulation und Visualisierung oder Building Information Modelling (BIM) verlieren klar an Bedeutung: Nur noch 72 bzw. 63 Prozent der Befragten bescheinigen diesen Technologien große Relevanz. Das sind jeweils 16 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig stufen die Befragten auch ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang mit innovativen Technologien schwächer ein als im vergangenen Jahr: Insbesondere in den Bereichen Cloud-Technologien und Plattformen sowie im Echtzeit-Reporting geben sich die Befragten schlechtere Noten als im Vorjahr.

Ein Problem ist laut PwC, dass es an Anreizen und Forderungen fehlt, etwa durch die Auftraggeber, die den langwierigen Transformationsprozess in Richtung Digitalisierung vorantreiben könnten. Laut Studie werden digitale Lösungen im Rahmen von Vergaben noch zu selten erwartet: Genau wie im Vorjahr geben gut drei Viertel der Befragten (76 Prozent) an, dass digitale Lösungen lediglich teilweise oder wenig gefordert werden.

Die größte Hürde für die Nutzung digitaler Lösungen liegt laut Studie jedoch im fachlichen Know-how und dem Fachkräftemangel. Das sagen jedenfalls 85 Prozent der Befragten (Vorjahr: 91 Prozent).

In Sachen Nachhaltigkeit geht es voran

Fortschritte kann die Branche dagegen beim Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit vermelden: Inzwischen haben 70 Prozent der Unternehmen allgemeine oder projektspezifische Nachhaltigkeitsstandards etabliert – ein Plus von neun Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Der wichtigste Treiber für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards sind gesetzliche Vorgaben. Das sagen zwei Drittel der Bauunternehmen und Planer. Aber auch der Druck seitens Kunden und Auftraggebern wächst: Rund die Hälfte der befragten Unternehmen (46 Prozent) setzen Nachhaltigkeitsstandards um, weil ihre Auftraggeber bzw. Kunden dies fordern.

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