Auch Wohnungsneubau gerät unter Druck!

Explodierende Baukosten, gestörte Lieferketten, höhere Zinsen und schlechtere Fördermöglichkeiten stellen auch in Hessen und Rheinland-Pfalz immer mehr Bauprojekte in Frage. „Privatleute und private Unternehmen müssen ihre Bauprojekte zurückstellen oder ganz aufgeben. Die ehrgeizigen Neubauziele der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen in Deutschland rücken damit in weite Ferne“, sagte Gerald Lipka, Geschäftsführer des BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland am 6. September beim Bauträgertag in Frankfurt.

„Unsere Mitglieder stellen fest, dass deutlich mehr Kunden ihre Notartermine absagen müssen, weil die Banken ihren Haus- oder Wohnungskauf nicht mehr finanzieren“, so Lipka. Aus diesem Grund werde jedes mögliche neue Bauprojekt kritisch auf seine Realisierbarkeit hin geprüft und immer häufiger verworfen. Da etwa die Hälfte der neu gebauten Eigentumswohnungen vermietet werden, hat dies auch Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt. Somit wächst der Druck auch im Mietmarkt erheblich. So seien nach einer Analyse von immowelt die Anfragen für Kaufimmobilien innerhalb eines Jahres deutschlandweit um 17 Prozent gesunken. Parallel dazu hat sich die Anzahl der Anfragen für Mietimmobilien um 34 Prozent erhöht.

Auch die Zahl der genehmigten Gebäude sei – trotz weiter hohem Bedarf – stark zurückgegangen, im Juni 2022 allein in Hessen um 25,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Bei den genehmigten Wohnungen ergebe der Vergleich von Juni 2022 zum Juni 2021 in Hessen ein Minus von 9,3 Prozent. „Wohnungen, die nicht genehmigt wurden, können auch künftig nicht gebaut werden“, schlussfolgert Lipka.

Hinzu komme noch ein weiterer, schon vor dem Ukraine-Krieg bestehender Trend: „Bundesweit werden bereits seit 2015 jährlich rund 50.000 genehmigte Wohnungen nicht gebaut. Der Bauüberhang hat sich bundesweit auf 850.000 Wohnungen kumuliert“, weiß der BFW-Geschäftsführer. Das gelte auch für Hessen. Schon bis zum 31.12.2021 hat sich der Bauüberhang gegenüber dem Vorjahr um 5,3 Prozent auf insgesamt 67.934 Wohnungen erhöht. Lipka sieht nun die Politik in der Verantwortung für Stabilität zu sorgen, damit die Ziele beim Wohnungsneubau erreicht werden können. „Unsere Unternehmen wollen und müssen bauen. Neuer Wohnraum kann aber nur dann realisiert werden, wenn die Unternehmen auch faire Bedingungen erhalten, die sich an den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen orientieren“, so der BFW-Geschäftsführer. „Die Zeitenwende, die Bundeskanzler Scholz im Februar dieses Jahres gesehen hat, ist angekommen. Die Gesellschaft und die politischen Gremien in ihren unterschiedlichen Zuständigkeiten müssen sich schnell diesen veränderten Realitäten stellen. Wir brauchen auf allen politischen Ebenen mehr wirtschaftlichen Realismus!“

Ohne verfügbare und bezahlbare Grundstücke – auch für private Investoren – könne der Wohnungsbedarf nicht gedeckt werden. Kommunale Infrastrukturmaßnahmen dürften nicht weiter dem Bauherrn aufgebürdet werden. Das Land könnte durch gezielte Förderung die Infrastrukturmaßnahmen mittragen und damit den Kommunen die Baulandausweisung wirtschaftlich erleichtern. Außerdem sollte die Justiz personell aufgestockt werden, um schneller Rechtsklarheit in Streitfällen zu erhalten. „Gerade in Zeiten hoher Inflation und explodierender Baupreise bedeuten langwierige Prozesse Kostensteigerungen, die das Projekt oft insgesamt gefährden“, so Lipka.

Auch die Grunderwerbsteuer zu senken oder Freibeträge für die erstmalige Eigentumsbildung zu ermöglichen, könnte ein Beitrag zur Kostensenkung im Wohnungsbau sein. „Stattdessen bürdet die Politik der Branche jedoch immer weitere Regulierungen auf“, kritisiert der BFW-Geschäftsführer. Aktuellstes Beispiel seien die politisch geforderten Nachhaltigkeitszertifikate im Rahmen des Klimaschutzes. In Baden-Württemberg würden solche Zertifikate bereits gefordert. Sie ließen sich wegen fehlender Auditoren aber bisher kaum umsetzen. Wo dies dennoch möglich sei, lägen die Kosten fast so hoch wie die Fördermittel. „Für unsere Unternehmen ist das ein Nullsummenspiel“, kritisierte Lipka. Klimaschutz beim Neubau sei für die Mitgliedsunternehmen seit langem selbst-verständlich. Allerdings begnügten sich angesichts fehlender Förderung immer mehr Unternehmen damit, Häuser nach dem Mindeststandard KfW 55 anstatt KfW 40 zu bauen.

Unter wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen benötigen wir Anreize, damit Private auch weiterhin in den Wohnungsbau investieren. Denn private Haushalte waren 2021 in Deutschland für 62,1 Prozent der Investitionen in den Wohnungsbau verantwortlich. „In Hessen haben private Haushalte 59 Prozent und in Rheinland-Pfalz sogar 75,6 Prozent der Investitionen in den Wohnungsbau gestemmt. Hier befürchten wir in der aktuellen Situation erhebliche Einbrüche“, so Lipka. Wenn die Politik nicht energisch gegensteuere, verstärke sich die Spaltung in der Gesellschaft und der Mittelstand bleibe auf der Strecke.

Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit müssen sich dabei nicht ausschließen. Auch im kommenden Jahr wird der BFW Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland gemeinsam mit der Landesenergieagentur Hessen den hessischen Contractingpreis unter der Schirmherrschaft des Wirtschaftsministers verleihen. Prämiert werden realisierte Projekte, die hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit vereinen. Staatssekretär Jens Deutschendorf aus dem hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen gab beim Bauträgertag den Startschuss für die nächste Runde des Wettbewerbs.

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