Anhörung im Bauausschuss des Bundestages: Deregulierung im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht

Die Sanierung des Gebäudebestands hat der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur Reiner Nagel am Mittwoch in der Sitzung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen in den Vordergrund gerückt. Anlässlich der Beratung des im vergangenen Jahr vorgelegten Baukulturberichts 2022/23 (20/4250) der Stiftung betonte Nagel die Bedeutung der energetischen Sanierung. Nach seinen Wort schlägt Sanierung den Ersatz-Neubau, wobei schon wenig viel helfe. Nagel plädierte für eine Sanierung mit Augenmaß. Der KfW-Effizienzhausstandard 85 (EH85) bringe viel und koste weniger, auch die Handwerker arbeiteten lieber im Bestand. Die Hindernisse im Bestand müssten durch eine neue Umbauordnung angegangen werden.

Die SPD-Fraktion mahnte, es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, zehn Prozent Dämmung seien genug und der EH85-Standard reiche, man müsse da vorsichtig sein. Im Übrigen müsse das Wohnen in Kerngebieten ermöglicht werden. Eine große Hürde stellten die Kosten dar, offenbar sei Abriss und Neubau immer noch günstiger als der Umbau im Bestand. Die Unionsfraktion sprach Nutzungsvielfalt und Flexibilität an und fragte nach einer Änderung der Technischen Anleitung Lärm (TA Lärm) zugunsten einer sozialen Mischung in den Innenstädten, die wie auch die Ortskerne belebt werden sollten. Die Resultate der Umsetzung des 14-Punkte-Programms des Baugipfels im vergangenen Jahr sind aus Sicht der Unionsfraktion „sehr dünn“.

Bündnis 90/Die Grünen begrüßten den Paradigmenwechsel hin zur Umbaukultur. Hier habe man schon einiges auf den Weg gebracht. Durch vernünftige Nutzung von Energie und Ressourcen könne mit geringen Maßnahmen ein hoher Effekt erzielt werden. Die Fraktion unterstützte auch die Verwendung von natürlichen Materialien. Sie trat zudem dafür ein, unnötige Abrisse zu vermeiden (Quelle hib 17.01.2024).

Anmerkungen: Nur echte Deregulierung hilft derzeit weiter, und zwar für Bestandssanierung und Wohnungsbau. Der technische Grenznutzenbereich für Sanierungsvorhaben sollte auch für den Neubau stärker in den Fokus gerückt werden. Denn selbst Förderung gewährleistet weder Wirtschaftlichkeit noch Planungssicherheit. Ordnungsrechtliche Anforderungen müssen zukünftig auch ohne Förderung wirtschaftlich tragfähig sein und nachfragegerechten Wohnungsbau und Sanierung ermöglichen.

Um die Innenentwicklung und Nachverdichtung zu fördern, sollte für alle Baugebiete, insbesondere jedoch auch für Mischgebiete und Kerngebiete geprüft werden, inwieweit die Orientierungswerte in § 17 Abs. 1 BauNVO generell nach oben angepasst werden können. Insbesondere höheres Bauen würde dann Nachverdichtung ohne zusätzliche Flächenversiegelung ermöglichen.

Lärm gehört zu den stärksten Beeinträchtigungen im Wohnumfeld. Ein Mindestmaß an Aufenthaltsqualität in Wohnquartieren muss auch außerhalb des Wohnraums gesichert werden. Bewohner werden ein Quartier kaum als lebenswert empfinden, wenn es draußen laut ist und Balkone sowie Grünflächen nicht genutzt werden können. Um dennoch an das Gewerbe heranrückende Wohnbebauung zu ermöglichen, müssen zuerst alle Möglichkeiten beim Emittenten ausgeschöpft werden. Die Diskussion gesetzlicher Änderungen sollte daher primär auf zusätzlichen Lärmschutz beim Verursacher gerichtet sein.  Für eine diesbezügliche Klarstellung kommt z.B. Nr. 6.7 TA Lärm für die Ermessensausübung in Gemengelagen in Betracht.

Die von Gewerbe ausgehenden Immissionen sollten den Immissionen von Verkehr gleichgestellt werden, zum Beispiel in Nr. 7.4 TA Lärm.  Daneben sollten passive Lärmschutzmaßnahmen zusätzlich immer dann möglich sein, wenn ansonsten nicht gebaut werden könnte. Neben Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes kann passiver Lärmschutz Wohnungsbebauung dort ermöglichen, wo Lärm durch Gewerbe oder Verkehr auch durch aktive Lärmschutzmaßnahmen unvermeidbar ist. Die Flexibilität für den Wohnungsbau kann so auch ohne grundlegende Eingriffe in die TA Lärm verbessert werden.

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