Justiziar/Referent Recht, Energie und Bautechnik
Wirtschaftsministerium (BMWi) und Innenministerium (BMI) haben Ende Mai 2019 einen Gesetzentwurf für ein Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgelegt.
Die Auswertung der folgenden Anhörung, in der sich auch der BFW mit einer Stellungnahme eingebracht hat, und die Ressortabstimmung mit dem Umweltministerium laufen noch. Wie der Entwurf am Ende aussieht, der schlussendlich in das parlamentarische Verfahren geht, ist daher noch offen.
Dennoch lässt sich feststellen, dass der vorliegende GEG-Entwurf zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung ist. Ausdrücklicher Schwerpunkt ist die enge thematische Verknüpfung der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit der Wirtschaftlichkeit beim Bauen. Die aktuellen bereits jetzt sehr hohen energetischen Anforderungen für Neubau und Bestand werden nach dem Entwurf nicht erhöht; ein erster wichtiger Teilerfolg für die mittelständische Immobilienwirtschaft, der sich gleichlautend auch im Koalitionsvertrag wiederfindet. Der nach der EU-Gebäuderichtlinie zu definierende Niedrigstenergiegebäudestandard für Neubauten entspricht danach den aktuellen energetischen Vorgaben, die bereits seit 2016 für den Neubau gelten.
Klar ist aber auch, dass die politischen Diskussionen noch nicht abgeschlossen sind, weil das Umweltministerium mit Blick auf das Ziel „Klimaneutraler Gebäudebestand 2050“ weitere verschärfte energetische Anforderungen unter Aushebelung des Wirtschaftlichkeitsgebotes für notwendig hält. Die ablehnende Antwort findet sich bereits in den Gutachten von BMWi und BMI, wonach sich der Aufwand für höhere energetische Standards in dem aktuellen technischen Grenznutzenbereich als generelle ordnungsrechtliche Anforderungen nicht rechtfertigen lassen.
Es ist daher konsequent und richtig, dass energetische Maßnahmen nach dem aktuellen Entwurf auch weiterhin nur dann umgesetzt werden müssen, wenn diese wirtschaftlich sind.
Die gesetzliche Regelung in § 5 GEG-E enthält jedoch erhebliche Auslegungsspielräume, weil die Wirtschaftlichkeit mit unbestimmten Rechtsbegriffen definiert wird. So gelten Anforderungen und Pflichten gem. § 5 Satz 2 GEG-E als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. Insbesondere durch die Verwendung des Begriffes „generell“ wird deutlich, dass es für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen richtigerweise keine abschließenden gesetzlichen Vorgaben geben kann.
Dennoch ist es aus Sicht des BFW sinnvoll, Orientierungshilfen zur einheitlichen Rechtsanwendung in der Baupraxis zu erarbeiten. Das können Vollzugshinweise sein, in der beispielhaft Fallgruppen beschrieben werden, um die Bewertung zur Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme zu erleichtern. Hierbei können sodann auch die Randbedingungen wie Zinssatz oder Amortisationsdauer beschrieben werden, die für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit maßgeblich sind. Orientierungshilfen zur üblichen Nutzungsdauer von Bauteilen und Anlagentechnik sowie zur Berechnung der zu erzielenden Einsparungen können weitere Orientierung geben, inwieweit energetische Maßnahmen tatsächlich wirtschaftlich tragfähig sind. Die Vollzugshinweise des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung vom 18.07.2014 (Geschäftszeichen VI 3-C-061-m-01- 03) bieten hierfür eine solide Basis, die weiterentwickelt werden sollte.
Ergänzend zum Wirtschaftlichkeitsgebot sollte jedoch auch der Grundsatz der Kostenoptimalität gesetzlich geregelt werden. Denn nach den europäischen Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie muss eben nicht alles gemacht werden, was gerade noch eine positive energetische Bilanz aufweist. Vielmehr muss das kostenoptimale Niveau ermittelt werden, bei dem der eingesetzte EURO den meisten Nutzen bringt und erst dann, quasi nur zur Kontrolle, geprüft werden, ob bei einem optimalen Mitteleinsatz überhaupt eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz vorhanden ist. Bei einer 1:1-Umsetzung europäischer Vorgaben ist dieser Ansatz zwingend im gesetzlichen Gesamtkonzept zu berücksichtigen.
Neu geregelt ist in § 55 Abs. 2 GEG-E, dass Investitionen in energetische Maßnahmen bei öffentlich- rechtlichen Nichtwohngebäuden dann nicht getätigt werden müssen, wenn die individuelle Leistungsfähigkeit des Investierenden nicht gegeben ist (§ 55 Abs. 2 GEG-E). Die ist ein Quantensprung.
Es spielt eben keine Rolle, ob die höheren Investitionskosten über die eingesparte Energie in angemessener Zeit refinanziert werden können, wenn die höheren Investitionskosten nicht aufgebracht werden können. Insoweit hat § 55 Abs.2 GEG-E eine eigenständige, immens wichtige Bedeutung auch neben der nachgewiesenen Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall.
Denn weder bei der öffentlichen Hand noch bei privaten Investoren oder Bauherren steigt die Kreditwürdigkeit, weil der prognostizierte Primärenergiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche sinkt. Daneben geht es in den vermieteten Wohnbeständen um das ausgewogene Verhältnis zwischen Nettoeinkommen und Mietbelastung des Mieters nach einer Mieterhöhung nach Modernisierung, das durch Verbrauchseinsparungen nur teilweise verbessert werden kann.
Der in § 55 Abs. 2 GEG-E zum Ausdruck kommende Grundsatz: Besser eine etwas weniger effiziente Schule als keine Schule, muss jedoch auch für den privaten Wohnungsbau gelten. Insbesondere, solange bezahlbarer Wohnraum im unteren und mittleren Preissegment fehlt. Andernfalls wird es weiterhin so sein, dass wesentliche Bau- und insbesondere Wohnungsbautätigkeiten nur noch in wenigen Hotspots und überwiegend zu hohen Miet- und Kaufpreisen erfolgen. Weder für das Weltklima noch für das gesellschaftliche Klima sind solche Entwicklungen hilfreich.
Im Übrigen ist nicht einzusehen, weshalb der Grundsatz der Leistungsfähigkeit nur auf den Neubau beschränkt sein soll. Dieser Grundsatz muss stattdessen für alle Gebäude sowohl im Bestand als auch im Neubau gelten und ist u.E. demzufolge als Befreiungstatbestand in § 101 GEG-E aufzunehmen.